Rz. 95

Was ein steuerlicher Vorteil sein kann, der beim Motivtest vorliegen muss, wird in § 138d Abs. 3 AO definiert. Danach gibt es drei Möglichkeiten, wann ein steuerlicher Vorteil vorliegen kann:

  • eine Steuer wird erstattet, eine Steuervergütung wird gewährt oder erhöht oder Steueransprüche entfallen oder verringern sich (Nr. 1), d. h. die Steuerlast wird geringer;
  • Steueransprüche sollen nicht entstehen (Nr. 2) oder
  • es gibt eine zeitliche Verschiebung des Steueranspruchs nach hinten (Nr. 3).

Dabei muss nur eins der oben aufgelisteten Kriterien erfüllt sein. Es können aber natürlich auch mehrere steuerliche Vorteile kombiniert werden bzw. es kann mehrfach ein gleichartiger steuerlicher Vorteil eintreten. Dies führt nicht zu einer mehrfachen Meldepflicht.

 

Rz. 96

Vereinzelt wird vertreten, dass zwar ein steuerlicher Vorteil zu einer Meldepflicht führen kann, aber nicht die Vermeidung eines steuerlichen Nachteils.[1] Eine solche Unterscheidung ist m. E. nicht möglich. Die Vermeidung eines Nachteils ist zugleich auch immer ein Vorteil.

 

Rz. 97

Der jeweilige steuerliche Vorteil muss dabei nicht in Deutschland entstehen oder die deutsche Steuerlast betreffen. Er kann auch im Ausland entstehen.[2] Auch insoweit gibt es keine Einschränkungen. Es muss sich nicht um europäisches Ausland handeln, sondern der steuerliche Vorteil kann grundsätzlich auch im Drittstaat entstehen. Zudem muss die Jurisdiktion, in der der steuerliche Vorteil entsteht, nicht Teil der Gestaltung sein, auch wenn dies in der Praxis regelmäßig der Fall sein wird. Teilweise wird aus der Definition des § 138d Abs. 2 Nr. 1 AO, nach der eine Steuergestaltung sich auf eine Steuer innerhalb der EU beziehen muss, hergeleitet, dass sich auch der steuerliche Vorteil innerhalb der EU realisieren muss.[3] Dies ist m. E. nicht zwingend. Die steuerliche Gestaltung kann sowohl eine Steuer innerhalb der EU betreffen (und damit das Kriterium des § 138d Abs. 2 Nr. 1 AO erfüllen), den steuerlichen Vorteil aber außerhalb der EU eintreten lassen.

 

Rz. 98

Der steuerliche Vorteil braucht auch nicht bei einem Nutzer der Gestaltung zu entstehen.[4] Es ist nur erforderlich, dass er überhaupt entstehen soll. Er kann theoretisch auch bei einer dritten Person entstehen.

 

Rz. 99

Unabhängig davon, bei wem und in welcher Jurisdiktion ein steuerlicher Vorteil anfallen soll, muss bei einer Gesamtbetrachtung der steuerlichen Gestaltung überhaupt ein steuerlicher Vorteil entstehen. Dies ist z. B. nicht der Fall, wenn Steuerzahlungen nur zwischen Stpfl. oder zwischen Jurisdiktionen verschoben werden. Dann entsteht insgesamt kein steuerlicher Vorteil, auch wenn bei isolierter Betrachtung ggf. in einem Staat eine geringere Steuerlast anfällt und es damit dort (isoliert) zu einem steuerlichen Vorteil kommt.[5] Dies kann aber nur gelten, wenn die Steuersätze in den einzelnen Ländern gleich sind oder eine Verschiebung von Steuersubstrat in eine Jurisditkon mit einem höheren Steuersatz (bei vergleichbaren Bemessungsgrundlagen) erfolgt. Dann entsteht zwar in dem Land, aus dem das Steuersubstrat verschoben wird, ein steuerlicher Vorteil; insgesamt steigt aber die Steuerlast. Bei der Betrachtung, ob insgesamt ein steuerlicher Vorteil entsteht, sind die Steuerbelastungen jedes Nutzers zusammenzurechnen. Hier ist nicht auf den einzelnen Stpfl. abzustellen, sondern auf alle von der Gestaltung Betroffenen. Wird allerdings Steuersubstrat von einem Staat mit einer höheren Steuerlast in einen Staat mit einer niedrigeren Steuerlast verschoben, wird sich daraus im Regelfall insgesamt ein steuerlicher Vorteil i. S. d. § 138d Abs. 3 AO ergeben.

 

Rz. 100

Auch wenn eines der oben genannten Merkmale vorliegt, kann eine Ausnahme geregelt werden, dass kein steuerlicher Vorteil i. S. d. § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a AO vorliegt. § 138d Abs. 3 Satz 3 AO enthält insoweit eine Ermächtigung, derartige Ausnahmefälle in einem abgestimmten Schreiben zu regeln. Dies kann insbesondere in den Fällen erfolgen, in denen der steuerliche Vorteil ausschließlich in Deutschland entsteht und dieser Vorteil gesetzlich vorgesehen ist. Die Finanzverwaltung beschränkt derartige Sachverhalte auf Fälle, bei denen der steuerliche Vorteil im Inland eintritt. Diese Beschränkung ist im Gesetz nicht vorgesehen und m. E. auch nicht zwingend.

 

Rz. 101

Ist eine Gestaltung aus Sicht der Finanzverwaltung danach nicht meldepflichtig, ist weiter zu prüfen, ob sich im Ausland (trotzdem) eine Meldepflicht ergibt. Diese kann unabhängig von den Ausnahmen in Deutschland bestehen. Die Meldepflicht im Ausland ist auch regelmäßig unabhängig davon, ob im Ausland auch ein steuerlicher Vorteil eintritt. Entscheidend ist, ob überhaupt ein steuerlicher Vorteil (z. B. auch in Deutschland) eintritt. Daher kann es Fälle geben, in denen der steuerliche Vorteil ausschließlich in Deutschland auftritt und in Deutschland keine Meldepflicht gem. § 138d Abs. 3 Satz 3 AO eintritt, aber im Ausland diese Gestaltung zu melden ist.

 

Rz. 102

§ 138d Abs. 3 S. 3 AO sieht vor, dass...

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