Rz. 49

Gestalten bedeutet zunächst einmal, dass ein Sachverhalt aktiv verändert wird. Ein Ausnutzen eines bereits bestehenden Sachverhalts ist kein Gestalten und kann daher niemals zu einer Meldepflicht führen. Die Finanzverwaltung fordert daher richtigerweise, dass ein aktives Tätigwerden vorliegen muss[1], im Gegensatz zu einem bloßen Abwarten. Danach muss ein "verändernder Schaffenprozess" gegeben sein. Die gestaltende Tätigkeit muss sich auch auf den Sachverhalt beziehen. Die Finanzverwaltung[2] fordert, dass "eine bestimmte Struktur, ein bestimmter Prozess oder eine bestimmte Situation bewusst und aktiv herbeigeführt oder verändert wird". Keine Gestaltung liegt vor, wenn die Auslegung eines Gesetzeswortlauts, Urteils etc. geändert oder abweichend von der Auffassung der Finanzverwaltung vertreten wird. Die Finanzverwaltung will auch das bewusste Gestalten eines rechtlichen Geschehens als Gestaltung ansehen.[3] Dies kann aber nur insoweit gelten, wie sich dieses auf den der steuerlichen Beurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt auswirkt z. B. durch den Abschluss von Verträgen etc. Anderenfalls werden die Fakten nicht gestaltet. Die Finanzverwaltung listet in dem Entwurf des BMF-Schreibens[4] bestimmte Möglichkeiten auf, durch die ein Gestalten erfolgen kann. Genannt werden Transaktionen, Regelungen, Handlungen, Vorgänge, Vereinbarungen, Zusagen, Verpflichtungen oder ähnliche Ereignisse. Es werden damit bereits fast alle Möglichkeiten, auf einen Sachverhalt einzuwirken, aufgezählt. Außerdem ist die Aufzählung nur beispielhaft. Es ist unerheblich, durch welche Tätigkeit die Gestaltung des Sachverhalts erfolgt. Entscheidend ist insoweit nur das Ergebnis, nämlich dass es zu einer Gestaltung gekommen ist.

 

Rz. 50

Das Wort "Gestaltung" impliziert ein aktives Handeln. Daraus wird tw ein subjektives Element hergeleitet.[5] Nur wenn die steuerliche Folge gewollt ist, soll eine meldepflichtige Gestaltung vorliegen können. Dies ist m. E. nicht richtig. Das aktive Gestalten bezieht sich auf den Sachverhalt, der steuerlich in einem zweiten Schritt zu würdigen ist. Die steuerliche Wirkung des Sachverhalts ist eine rechtliche Würdigung und kann daher nicht vom subjektiven Tatbestand erfasst sein. Anderenfalls müsste man eine meldepflichtige Steuergestaltung u. U. verneinen, wenn das gewünschte steuerliche Ergebnis nicht eintritt, weil z. B. die Finanzverwaltung den Sachverhalt anders würdigt.

 

Rz. 51

Es muss sich um eine "Steuer"-Gestaltung handeln. Die gestaltende Tätigkeit muss sich daher auf die steuerlichen Folgen eines Sachverhalts beziehen. Dies setzt zunächst einmal voraus, dass sich die steuerlichen Folgen durch die Gestaltung verändern. Umgekehrt kann eine Veränderung des Sachverhalts aus anderen Gründen, die ggf. steuerliche Folgen nach sich zieht, m. E. nur in Ausnahmefällen zu einer steuerlichen Gestaltung führen. Allerdings ist m. E. fraglich, ob dies nicht in den Wortlaut hinein zu interpretieren ist. Denn in diesen Fällen kann zwar ggf. eine Gestaltung vorliegen, aber möglicher Weise keine "steuerliche" Gestaltung. Und nur letztere können zu einer Meldepflicht führen. Gestaltungen, die nicht steuerlicher Art sind, können keine steuerlichen Pflichten auslösen. Die Finanzverwaltung spricht insoweit von einem "Geschehen mit steuerlicher Bedeutung".[6] Dies stellt aber nicht klar, ob sich die Gestaltung auf die steuerlichen Auswirkungen beziehen muss. Steuerlich bedeutsam (weil sich z. B. die steuerliche Beurteilung ändert) können auch Gestaltungen aus anderen Gründen sein. Diese Diskussion wird im Regelfall auftreten, wenn der Nutzer eine Gestaltung konzipiert und dabei auch operative oder wirtschaftliche Gründe, die im Unternehmen liegen, berücksichtigt. Ein Intermediär wird im Regelfall bei einer Gestaltung die steuerlichen Folgen im Fokus haben, jedenfalls wenn er im Steuerbereich beratend tätig ist.

 

Rz. 52

Allerdings ist nach Auffassung der Finanzverwaltung z. B. eine Anpassung von Verträgen an den Fremdvergleichsgrundsatz keine steuerliche Gestaltung.[7] Insoweit ist die Anpassung zwar steuerlich veranlasst (durch die Verrechnungspreisanpassung); allerdings wird man darin keine Gestaltung sehen können. Es werden die vertraglichen Grundlagen nur an die steuerlichen Anforderungen angepasst.

[1] BMF v. 29.3.2021, IV A 3-S 0304/19/10006:010, BStBl I 2021, 582, Rz. 9.
[2] BMF v. 29.3.2021, IV A 3-S 0304/19/10006:010, BStBl I 2021, 582, Rz. 9.
[3] BMF v. 29.3.2021, IV A 3-S 0304/19/10006:010, BStBl I 2021, 582, Rz. 9.
[4] BMF v. 29.3.2021, IV A 3-S 0304/19/10006:010, BStBl I 2021, 582, Rz. 10.
[5] Jochimsen/Dietrich, IStR 2020, 529f.
[6] BMF v. 29.3.2021, IV A 3-S 0304/19/10006:010, BStBl I 2021, 582, Rz. 10.
[7] BMF v. 29.3.2021, IV A 3-S 0304/19/10006:010, BStBl I 2021, 582, Rz. 10.

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