Rz. 24

Ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann ohne weitere Voraussetzungen mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) oder mit Wirkung auch für die Vergangenheit (ex tunc) zurückgenommen werden. Eine Rücknahme mit Wirkung ex nunc ist nur bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung[1] möglich, nicht bei einmaligen Verwaltungsakten.[2]

Die Behörde kann den Verwaltungsakt ohne weitere Voraussetzungen zurücknehmen, unabhängig von der Bestandskraft. Das gilt auch, wenn der Verwaltungsakt durch gerichtliches Urteil bestätigt ist.

 

Rz. 25

Die Entscheidung, ob ein nicht begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen werden soll, ist nicht antragsabhängig. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Finanzbehörde verpflichtet ist, ohne besonderen Anlass die Rechtswidrigkeit eines bestandskräftigen Verwaltungsakts zu prüfen. In diese Prüfung muss sie nur eintreten, wenn die Rechtswidrigkeit offensichtlich ist oder der Betroffene die Gründe, die zur Rechtswidrigkeit führen sollen, schlüssig darlegt. I. d. R. muss daher der Anstoß für die Prüfung der Rechtswidrigkeit vom Betroffenen kommen.[3]

 

Rz. 26

Die Rücknahme nach § 130 AO liegt im Ermessen der Verwaltung; eine ermessensfehlerfreie Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts wird immer dann anzunehmen sein, wenn der Verwaltungsakt unanfechtbar und die Sach- und Rechtslage seit Eintreten der Unanfechtbarkeit unverändert geblieben ist. Ist der Verwaltungsakt bestandskräftig, ist die Ablehnung der Aufhebung immer dann ermessensfehlerfrei, wenn der Betroffene die Gründe für die Rücknahme schon in einem Rechtsbehelfsverfahren hätte vorbringen können; die Ablehnung der Rücknahme ist nur dann ermessensfehlerhaft, wenn dem Betroffenen die Einlegung des Rechtsbehelfs unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls nicht zugemutet werden konnte.[4] Eine Ablehnung der Aufhebung kann daher nur dann ermessensfehlerhaft sein, wenn der Stpfl. nur Aufhebungsgründe vorbringt, die er bei einer fristgerechten Anfechtung des Verwaltungsakts vorzubringen nicht in der Lage gewesen wäre.[5] Eine abweichende Ansicht würde dazu führen, dass der Betroffene wegen seines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung einen Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsakts hätte; damit würde die Rechtsbehelfsfrist ihre Bedeutung verlieren. Die Vorschrift enthält daher keine ermessenslenkenden Vorgaben (intendiertes Ermessen), wonach im Regelfall eine Rücknahme zu erfolgen habe, ein Absehen davon also nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht kommt.[6]

 

Rz. 27

Die Rücknahme ist auch nach Unanfechtbarkeit möglich, da der Ablauf der Rechtsbehelfsfrist nur bedeutet, dass der Belastete keinen Rechtsbehelf mehr einlegen kann, den Verwaltungsakt also hinnehmen muss, der Eintritt der Unanfechtbarkeit dagegen keine Bindung der Behörde enthält. Allein die Tatsache, dass der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist, rechtfertigt es nicht, das Rücknahmeermessen zulasten des Stpfl. auszuüben.[7] Die Rücknahme ist damit unabhängig von einem Einspruchsverfahren.[8] Allerdings kann durch eine Korrektur gem. § 130 AO nicht die Folge eines nicht durchgeführten Rechtsbehelfsverfahrens ausgeglichen werden.[9] Daher es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Rücknahme versagt wird, weil der Stpfl. die Gründe, die er für die Rücknahme anführt, vor Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts mit einem fristgerecht eingelegten Einspruch hätte geltend machen können und ihm dies billigerweise auch zuzumuten war.[10] Insoweit müssen die gleichen Voraussetzungen wie im Fall einer sachlichen Unbilligkeit gem. § 227 AO erfüllt sein.[11] Der Rechtssicherheit und damit der Bestandskraft des Verwaltungsakts ist aber eine hoher Stellenwert im Rahmen der Ermessensabwägung einzuräumen.[12] Eine Rücknahme ist dann möglich, wenn der Stpfl. seine Rechte im Einspruchsverfahren nicht geltend machen konnte oder sich die Sach- oder Rechtslage rückwirkend geändert hat. Auch in diesen Fällen sind aber die Wirkungen einer Korrektur des Verwaltungsakts zu berücksichtigen. Diese können einer Rücknahme entgegenstehen.[13] Bei der Ermessensentscheidung ist ebenfalls das Verhalten des Stpfl. zu berücksichtigen. Dies gilt auch bei der Frage, ob ein Verwaltungsakt zurückzunehmen ist, weil das gewünschte Verhalten, das ursprünglich zum Erlass des Verwaltungsakts geführt hat, vom Stpfl. nicht mehr eingefordert werden kann. Allerdings soll ein Bescheid über einen Verspätungszuschlag nicht deshalb zurückzunehmen sein, weil der Stpfl. verstorben ist und der Erbe die Festsetzung des Verspätungszuschlags nicht veranlasst hat.[14] Insoweit fehlt es an einer gesetzlichen Regelung, die den Verspätungszuschlag entfallen lässt.

 

Rz. 28

Weiter gehend gibt die Rspr. dem Stpfl. einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung[15]; die Finanzbehörde müsse abwägen, ob im Einzelfall das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Änderung des rechtswidrigen Verwaltungsakts) oder das Prinzip von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit den Vorrang hat. Dabei komme es auf die Schwere und Offensi...

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