Rz. 12

Der "ständige Vertreter" ist in Art. 5 Abs. 5 OECD-MA nicht als selbstständiger Anknüpfungspunkt für die Zuteilung des Besteuerungsrechts geregelt, sondern als Unterfall der Betriebstätte; die Tätigkeit eines ständigen Vertreters für ein Unternehmen begründet daher für dieses Unternehmen eine Betriebstätte. In der Praxis wird dieser Begriff in verschiedenen Staaten sehr unterschiedlich ausgelegt, so dass eine einheitliche Anwendung häufig schwierig ist.[1]

Der Begriff des ständigen Vertreters nach Art. 5 Abs. 5 OECD-MA ist (derzeit noch) erheblich enger als der nach § 13 AO. Allerdings bestehen auf internationaler Ebene Tendenzen, den Begriff auszudehnen um möglichst jede Tätigkeit am Markt durch ein ausländisches Unternehmen besteuern zu können.

Nach Art. 5 Abs. 5 OECD-MA begründet ein Vertreter nur dann eine Betriebstätte für das vertretene Unternehmen, wenn er über die Vollmacht verfügt, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen. Daher konstituiert nur der Abschlussvertreter eine Betriebstätte; anders als bei § 13 AO genügt nicht die Vermittlung von Verträgen und das Hereinholen von Aufträgen. Daraus wird abgeleitet, dass ein Kommissionär, der auf fremde Rechnung aber in eigenem Namen Verträge abschließt, kein ständiger Vertreter i. S. d. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA sein kann[2]. Eine Ausnahme soll nur dann gelten, wenn durch die Verträge faktisch der Kommittent unmittelbar verpflichtet wird.

Nach Ansicht der Rechtsprechung steht eine Organstellung der Eigenschaft als ständiger Vertreter – ebenso wie nach nationalem Recht – abkommensrechtlich nicht entgegen[3].

Zusätzlich muss der Vertreter diese Vollmacht gewöhnlich ausüben. Dies setzt zumindest eine gewisse Präsenz vor Ort voraus. Nicht ausreichend soll nach der BFH-Rechtsprechung eine Anwesenheitsdauer von 60 Tagen sein. Ab welchem Zeitraum von der erforderlichen Dauerhaftigkeit auszugehen ist, wird im Einzelfall zu bestimmen sein.

Der BFH entnimmt daraus, dass zumindest die Voraussetzungen bezüglich der Dauerhaftigkeit der Tätigkeit vorliegen müssen, die abkommensrechtlich eine Betriebstätte begründen würden[4]. Der BFH begründet dies damit, dass abkommensrechtlich die Rechtsfolgen einer Betriebstätte und eines ständigen Vertreters identisch sind. Daher müssen nicht nur in Bezug auf die Dauerhaftigkeit der Tätigkeit die Voraussetzungen gleichen, sondern auch im Hinblick auf die anderen Voraussetzungen einer Betriebstätte; auch diese müssen in vergleichbarer Weise von einem ständigen Vertreter erfüllt werden. Dieser Aspekt wird auch dadurch deutlich, dass der Begriff des ständigen Vertreters nach Art. 5 Abs. 5 OECD-MA weiter dadurch eingeschränkt wird, dass eine Tätigkeit des Vertreters dann keine Betriebstätte des Unternehmers begründet, sofern keine Betriebstätte vorläge, wenn der Unternehmer selbst diese Tätigkeit durch Geschäftseinrichtungen wahrnehmen würde. Damit sind die Einschränkungen des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA angesprochen. Danach wird eine Betriebstätte nicht begründet durch den Einkauf von Gütern und Waren, auch wenn eine Abschlussvollmacht besteht; weiter wird keine Betriebstätte begründet durch die Einlagerung von Gütern und Waren und das Vorhalten der Bestände zur Auslieferung. Diese Tätigkeiten begründen im Rahmen des § 13 S. 2 Nr. 1, 2 AO den Anknüpfungspunkt des "ständigen Vertreters"[5], jedoch keine Betriebstätte nach Art. 5 Abs. 5 OECD-MA. Im Übrigen zu den Einschränkungen des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA vgl. § 12 Rz. 34, 40.

Im Ergebnis begründet daher nur der Abschlussvertreter eine Betriebstätte nach Art. 5 Abs. 5 OECD-MA.

 

Rz. 13

Eine weitere Einschränkung des Begriffs des ständigen Vertreters enthält Art. 5 Abs. 6 OECD-MA. Danach begründet die Tätigkeit eines unabhängigen Vertreters, insbesondere eines Maklers oder Kommissionärs, keine Betriebstätte für den Vertretenen, sofern er im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt. Ein unabhängiger Vertreter unterhält durch seine Tätigkeit eine eigene Betriebstätte, begründet aber nicht eine Betriebstätte des Geschäftsherrn. Dabei ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der ständige Vertreter eine abhängige oder unabhängige Tätigkeit ausübt. Die bloße Stellung als Makler oder Kommissionär hat nicht zwingend zur Folge, dass die Tätigkeit stets als unabhängig anzusehen ist[6].

Obwohl § 13 AO keine Beschränkung auf den "abhängigen Vertreter" enthält, wendet die Finanzverwaltung[7] diese Begrenzung für die Bestimmung der beschränkten Steuerpflicht auch unilateral an.

Ein unabhängiger Vertreter ist eine Person, die keinen persönlichen Weisungen unterliegt; sie muss vom Geschäftsherrn rechtlich, persönlich und wirtschaftlich unabhängig sein und darf keinen eingehenden Anweisungen oder einer weitgehenden Aufsicht unterliegen. Sachweisungen im Rahmen des Vertretungsverhältnisses schaden nicht, machen den Vertreter also nicht zum "abhängigen Vertreter"[8]. Auch die Tatsache, dass der Vertreter (als Kapitalgesellschaft) dem gleichen Konzern angehört wie der Geschäftsherr, führt nicht zur Abh...

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