Rz. 152

Schriftliche Verwaltungsakte können durch Aufgabe zur Post bekannt gegeben werden; sie gelten dann mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Damit wird für das Steuerverfahren als Massenverfahren eine kostensparende und zügige Abwicklung ermöglicht. Diese Regelung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, sondern stellt ein sachgerechtes vereinfachtes Übermittlungsverfahren dar.[1] Die Drei-Tage-Fiktion ist dabei keine Vermutung für einen erfolgten Zugang, sondern eine echte Fiktion. Ein Zugang innerhalb der drei Tage ist daher unerheblich.[2] Dies führt auch dazu, dass ein Widerruf innerhalb dieser drei Tage möglich ist, weil rechtlich darin ein Widerruf vor Zugang zu sehen ist.[3] Andererseits kann der Stpfl. diese Zugangsfiktion aber auch entkräften, indem er einen späteren oder einen fehlenden Zugang geltend macht. Zu den Beweislastregelungen in diesen Fällen vgl. Rz. 164ff. Die Fiktion führt daher nicht dazu, dass ein nach der 3-Tage-Frist erfolgter Zugang nicht geltend gemacht werden kann. Eine wirkliche Fiktion in dem Sinne, dass der Zugang unwiderruflich festgelegt wird, liegt also nur hinsichtlich einer Verkürzung der Frist vor; diese würde den Stpfl. belasten, da ggf. seine Rechtsschutzmöglichkeiten eingeschränkt würden. Die Fiktion bedeutet aber nicht, dass – eine für den Stpfl. günstige – Verlängerung der Frist über die 3-Tage-Fiktion nicht möglich wäre. Insoweit ähnelt die Fiktion einer widerlegbaren Vermutung.

Die Fiktion gilt nicht, wenn eine Zustellung durch Empfangsbekenntnis erfolgt.[4] Voraussetzung für das Eingreifen der Bekanntgabevermutung des Abs. 2 ist, dass der bekannt zu gebende Verwaltungsakt richtig adressiert ist, sonst tritt Nichtigkeit ein (vgl. Rz. 36), und dass die richtige Anschrift des Empfängers angegeben ist.[5]

 

Rz. 153

Unter dem Begriff "Post" i. S. d. § 122 Abs. 2 S. 1 AO ist grundsätzlich jedes – auch privatrechtliches – Unternehmen zu verstehen, das Postdienstleistungen erbringt.[6] Allerdings darf die Regelung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO nach der Rechtsprechung nicht unterschiedslos auf alle Postdienstleister angewendet werden.[7] Es ist im Einzelfall zu untersuchen, ob die gleichen Grundsätze wie für die Deutsche Post auch für private Postdienstleister gelten können. Daher ist grundsätzlich zu ermitteln, ob nach den bei dem privaten Dienstleister vorgesehenen organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen regelmäßig von einem Zugang des zu befördernden Schriftstücks innerhalb von drei Tagen ausgegangen werden kann.[8] Hierbei ist von Bedeutung, dass die Einhaltung der konkreten Postlaufzeiten nicht überprüft wird. Daher ist hier grundsätzlich zu ermitteln, ob nach den beim beauftragten privaten Zustelldienst vorgesehenen organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen regelmäßig die Dreitagesfrist eingehalten wird.

So kann z. B. bei einem Auseinanderfallen von Absendevermerk und Poststempel bei einem privaten Postdienstleister nicht dem Poststempel der Vorrang gebühren, wenn dadurch nicht der Zeitpunkt der Einlieferung dokumentiert wird, sondern eine Vordatierung erfolgt.

 

Rz. 154

Besonderheiten gelten, wenn die Post das Austragen der Sendung einem Subunternehmer überlässt. In diesem Fall muss das FG ermitteln, ob durch Vertrag sowie durch die tatsächliche Handhabung sichergestellt ist, dass eine Postsendung ebenso zügig zum Empfänger gelangt wie bei Einschaltung nur eines Anbieters von Postdienstleistungen.[9]

 

Rz. 155

Die Bekanntgabe besteht darin, dass der Post eine Ausfertigung des bekannt zu gebenden Verwaltungsakts übergeben wird, die sie dann übermittelt. Die Ausfertigung kann auch eine Fotokopie des Verwaltungsakts sein, wenn nach § 119 Abs. 4 AO keine Unterschrift erforderlich ist.[10]

Die Bekanntgabe nach § 122 Abs. 2 AO ist keine Form der Zustellung; sie kann daher, soweit Zustellung erforderlich oder angeordnet ist, die Zustellung nicht wirksam ersetzen.[11] Umgekehrt gilt die Zugangsfiktion auch nur für die Bekanntgabe per Post, aber nicht für eine Zustellung.[12]

Die Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post gilt für jedes Verfahren nach der AO, also auch für das Beitreibungsverfahren und, soweit nicht Zustellung vorgeschrieben ist, für das Rechtsbehelfs- sowie das Straf- und Bußgeldverfahren. Sie gilt nicht nur verfahrensrechtlich, z. B. für den Lauf von Rechtsbehelfsfristen, sondern auch materiell-rechtlich, wenn das Gesetz materiell-rechtliche Folgen an die Bekanntgabe knüpft, z. B. bei der Fälligkeit von Steuer- und Steuererstattungsansprüchen; BFH v. 13.12.2000, X R 96/98, BStBl II 2001, 274, BFH/NV 2001, 664.

Nicht möglich ist es jedoch, einen Verwaltungsakt auf diese Weise im Ausland bekannt zu geben; vgl. Rz. 134 sowie § 123 AO.

Rz. 156–160 einstweilen frei

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