Rz. 13

Ein Bescheid nach § 119 Abs. 1 AOist nichtig[1], soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.[2]

Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann nur im Einzelfall entschieden werden.[3]

Bei einem eindeutig bestimmten -nicht zutreffenden- Inhaltsadressaten ist eine Auslegung des Bescheids nicht möglich; der Bescheid ist ohne spätere Heilungsmöglichkeit nichtig.[4] Dies gilt auch, wenn der Steuerbescheid an eine schon verstorbene Person gerichtet ist.[5]

Zur Inhaltsbestimmung eines Verwaltungsakts ist zwar der erklärte Wille der Behörde zu erfassen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften; allerdings ist ein in seinem Ausspruch eindeutig an einen bestimmten Adressaten gerichteter Bescheid insofern keiner Auslegung zugänglich (vgl. Rz. 6).

Bei Unbestimmtheit des Regelungsinhalts tritt Nichtigkeit ein, wenn die festgesetzte Steuer ihrer Art nach nicht hinreichend angegeben war.[6]

Nicht eindeutig geklärt ist die Frage, welche Folgen eintreten, wenn der Steuerbescheid nicht hinreichend bestimmt ist. Ausgehend von der Definition der fehlenden inhaltlichen Bestimmtheit, dass nämlich der Stpfl. dann nicht erkennen kann, was von ihm verlangt wird (vgl. Rz. 4), muss die Folge grundsätzlich Nichtigkeit des Verwaltungsakts sein; wenn der Empfänger nicht erkennen kann, was er tun soll, kann der Verwaltungsakt keine Wirkung haben. Der BFH scheut sich jedoch regelmäßig, den Verwaltungsakt als nichtig zu bezeichnen.[7] Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, die inhaltliche Unbestimmtheit führe nur zur Rechtswidrigkeit; BFH v. 12.10.1988, II B 85/88, BStBl II 1989, 12 hält die Folge der Nichtigkeit ausdrücklich für möglich.

Der BFH vertritt jedoch die Auffassung, dass die Folge der Nichtigkeit bei einem inhaltlich nicht hinreichend bestimmten Verwaltungsakt nur dann eintritt, wenn es sich nach den Umständen des Einzelfalls um einen besonders schwerwiegenden Fehler handle.[8] Bei der ErbStG erfordern mehrere Steuerfälle entweder eine Festsetzung in getrennten Steuerbescheiden oder – bei körperlicher Zusammenfassung in einem Schriftstück – die genaue Angabe, welche Lebenssachverhalte (Besteuerungstatbestände) dem Steuerbescheid zugrunde liegen, sowie eine gesonderte Steuerfestsetzung für jeden einzelnen Lebenssachverhalt.[9]

Ein schwerwiegender Mangel liegt auch vor, wenn das FA einen Bescheid zusätzlich zu dem bereits bestandskräftigen Bescheid erlassen hat, ohne – wegen nach seinem Wortlaut noch im Auslegungswege – das Verhältnis zwischen beiden Bescheiden klarzustellen[10]

Hiervon ausgehend hat der BFH LSt-Haftungsbescheide nicht deshalb als nichtig angesehen, weil die Aufgliederung der Haftungsschuld auf einzelne Monate fehlte[11]; dieser Fehler sei nicht so schwerwiegend, dass die Folge der Nichtigkeit gerechtfertigt sei.

Wenn in den zur Entscheidung stehenden Fällen der Haftungsschuldner genau wusste, was von ihm verlangt wurde, und auch Sachverhalt und Zeitraum, für den die Haftungsschuld festgesetzt wurde, genau und unzweideutig bestimmt waren, bildet das Fehlen der Aufgliederung auf die einzelnen Monate keine inhaltliche Unbestimmtheit, sondern nur die fehlende Angabe von Besteuerungsgrundlagen und damit eine fehlerhafte Begründung, die u. U. nicht einmal zur Rechtswidrigkeit führt (vgl. Rz. 12). Wenn insoweit aber Zweifel entstehen konnten, die Bescheide also tatsächlich inhaltlich nicht bestimmt genug waren, musste die Folge Nichtigkeit sein, da Bescheide, deren sachlicher (oder persönlicher) Wirkungsbereich nicht sicher feststellbar ist, nicht wirksam werden dürfen. Die Abgrenzung hat also beim Tatbestand (inhaltliche Bestimmtheit) zu erfolgen, nicht bei der Rechtsfolge (Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit). Ist danach der Verwaltungsakt inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, ist die Rechtsfolge zwingend Nichtigkeit.

Grundsätzlich anwendbar ist aber § 128 AO; doch dürfte es praktisch kaum denkbar sein, dass ein inhaltlich unbestimmter und daher nichtiger Verwaltungsakt in einen anderen, bestimmten und daher wirksamen Verwaltungsakt umgedeutet werden kann.

 

Rz. 14

Das bedeutet im Einzelnen:

  • Erlöschen der Steuerforderung durch Verjährung[12], wenn eine Außenprüfung aufgrund einer (wegen nicht hinreichender Inhaltsbestimmtheit) nicht wirksam gewordenen Prüfungsanordnung durchgeführt wird.[13]
  • Stundung und Erlass: Genaue Angabe der gestundeten bzw. erlassenen Steuer nach Steuerart, Zeitraum und Betrag; bei Stundung auch Beginn und Dauer (Ende) der Stundung. Beim Erlass muss erkennbar sein, in welcher Höhe von der gesetzlich geschuldeten Steuer abgewichen wird.[14] Wird die Dauer der Stundung von einem bestimmten zukünftigen Ereignis abhängig gemacht, ist dieses Ereignis so genau anzugeben, dass bei Eintritt des Ereignisses unzweideutig ermittelt werden kann, ob die Stundung beendigt ist oder nicht. Zu Zweifeln bei der Formulierung "bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens" vgl. BFH v. 18.2.1997, ...

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