Rz. 26a

Die OECD veröffentlichte bereits im Jahr 2002 ein Musterabkommen für den zwischenstaatlichen Informationsaustausch in Steuersachen (sog. Tax Information Exchange Agreement – TIEA[1]).[2] Abkommen über den Austausch von Informationen in Steuersachen werden i. d. R. mit solchen Staaten getroffen, mit denen kein DBA besteht. Auch wenn das Musterabkommen keine rechtsverbindliche Wirkung hat, dient es doch als Grundlage für die individuell zu verhandelnden, bilateralen Verträge. Abkommen nach diesem Muster schließt die Bundesrepublik Deutschland in erster Linie mit sog. Steueroasen. Derzeit hat die Bundesrepublik 20 solcher Abkommen abgeschlossen. Dabei handelt es sich um die Abkommen mit Andorra, Anguilla, Antigua und Barbuda, Bahamas, Bermuda, Britische Jungferninseln, Cayman Islands, Cookinseln, Gibraltar, Grenada, Guernsey, Insel Man, Jersey, Monaco, Montserrat, San Marino, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, Vincent und Grenadinen, Turks und Caicos Inseln.[3]

Die von Deutschland nach diesem Muster geschlossenen Abkommen über den steuerlichen Informationsaustausch bieten die Rechtsgrundlage, behördliche Unterstützung durch Informationsaustausch auf Ersuchen im Einzelfall für Zwecke des Besteuerungsverfahrens oder des Steuerstraf- und Bußgeldverfahrens in Anspruch zu nehmen oder zu gewähren. Ein spontaner oder automatischer Informationsaustausch ist in diesen Abkommen grundsätzlich nicht vorgesehen.[4] Allerdings wurde das Musterabkommen im Juni 2015 durch ein Änderungsprotokoll[5] um die Art. 5a und 5b ergänzt, die nunmehr die Möglichkeit der Vereinbarung eines automatischen Informationsaustausches und der Spontanauskunft vorsehen. Die bis zum 1.1.2017 von der Bundesrepublik abgeschlossenen TIEA enthalten diese Möglichkeiten noch nicht.

Der Informationsaustausch, den Deutschland im Rahmen der abgeschlossenen TIEA gewährt, bezieht sich auf individuell vereinbarte Steuerarten. In der Regel sind dies die Steuerarten ESt, KSt, GewSt, Vermögensteuer, USt, Versicherungsteuer, ErbSt und die darauf erhobenen Zuschläge. Gleichzeitig geht mit diesen Abkommen die Vereinbarung justizieller Rechtshilfe einher, die neben etwaig vorhandener Rechtshilfevereinbarungen auf Basis des jeweiligen TIEA gewährt wird.

Grundlage für jedes der Abkommen ist der in Art. 5 geregelte Informationsaustausch. Er entspricht der großen Auskunftsklausel des Art. 26 OECD-MA. Danach erteilt die zuständige Behörde der ersuchten Vertragspartei auf Ersuchen der ersuchenden Vertragspartei Auskünfte für die in Art. 1 genannten (steuerlichen) Zwecke. Um dem Ersuchen nachzukommen, kann der ersuchte Staat zum einen auf die bei ihm vorhandenen Informationen zurückgreifen. Reichen diese nicht aus, um dem Auskunftsersuchen entsprechen zu können, so ergreift die ersuchte Vertragspartei geeignete Maßnahmen nach eigenem Ermessen zur Beschaffung von Informationen, die erforderlich sind, um der ersuchenden Vertragspartei die erbetenen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt selbst dann, wenn die ersuchte Vertragspartei diese Informationen nicht für eigene steuerliche Zwecke benötigt. Das Bankgeheimnis steht einem so gestellten Auskunftsersuchen nicht entgegen und darf vom ersuchten Staat auch nicht als Ablehnungsgrund des Auskunftsersuchens herangezogen werden, Art. 5 Abs. 4 Ziff. a i. V. m. Art. 7 Abs. 2 S. 2 TIEA-MA. Allerdings sind Geheimhaltungsregeln zu beachten, die jeweils in Art. 8 vereinbart sind.

Steuerliche Auskunftsersuchen dürfen sich nur auf solche Veranlagungszeiträume beziehen, die nach dem Inkrafttreten der Vereinbarung beginnen. Sofern sich die erhaltenen Informationen auf Zeiträume erstrecken, die vor dem Inkrafttreten liegen, besteht kein Verwendungsverbot.

Neben dem Informationsaustausch sehen die von Deutschland geschlossenen TIEA die Möglichkeit vor, dass Bedienstete des ersuchenden Staates mit Zustimmung der Bundesrepublik einreisen und Verfahrensbeteiligten mit deren Zustimmung eigenständig Fragen stellen und Unterlagen einsehen.[6] Voraussetzung dafür ist, dass während der gesamten Zeit der Diensthandlungen des ausländischen Steuerbediensteten stets ein inländischer Steuerbediensteter zugegen ist. Unter den gleichen Voraussetzungen darf ein ausländischer Bediensteter bei einer steuerlichen Außenprüfung zugegen sein. Da die Abkommen bilateral sind, gelten die Anwesenheitsrechte auch für deutsche Bedienstete bei der Vornahme von Amtshandlungen im Ausland.

[2] Seer/Gabert, Ubg 2010, 358.
[3] Vgl. BMF-Schreiben Stand der DBA am 1.1.2017 unter I.4, BStBl I 2017, 140.
[6] Vgl. Art. 6 TIEA-MA.

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