1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 111 AO enthält den einseitig ausgestalteten Grundsatz der Pflicht aller Gerichte und Behörden zur Amtshilfe für die Durchführung der Besteuerung, also insbesondere gegenüber den Finanzbehörden, sowie Einzelregelungen zum Begriff der Amtshilfe und zum Kreis der verpflichteten Stellen. Die Grundlage für die Gewährung von Amtshilfe findet sich in Art. 35 GG. Danach leisten sich alle Behörden des Bundes und der Länder gegenseitig Rechts- und Amtshilfe.[1] § 111 AO entfaltet Wirkung nur für Amtshilfe zu Gunsten der Finanzbehörden für die Durchführung der Besteuerung und damit nur in eine Richtung. Soll die Finanzbehörde anderen Behörden oder Gerichten Amtshilfe leisten, so gelten die für diese geltenden Rechtsgrundlagen. Bei der Entscheidung über die Gewährung dieser Amtshilfe haben die Finanzbehörden insbesondere das Steuergeheimnis nach § 30 AO zu beachten.

Eine Begriffsbestimmung der Amtshilfe fehlt in § 111 AO ebenso wie eine genaue Umschreibung der verpflichteten Stellen. Beide werden als vorgegeben angenommen.

[1] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 111 AO Rz. 1.

2 Amtshilfe (Abs. 1)

2.1 Begriff der Amtshilfe

 

Rz. 2

Amtshilfe ist die ergänzende Hilfe[1] einer Stelle (Behörde, Gericht), die diese einer anderen Behörde, hier einer Finanzbehörde, zur Durchführung ihrer Aufgaben, hier Durchführung der Besteuerung, leistet. Amtshilfe kann in sehr unterschiedlicher Art und Weise geleistet werden. Dies kann außer in Auskunftserteilung, Akteneinsicht, Augenscheinseinnahme usw. z. B. auch durch andere Tätigkeiten mit oder ohne rechtlichem Gehalt, durch technische Untersuchungen oder Zurverfügungstellung technischer Einrichtungen, durch Gutachten, Überlassung von Räumlichkeiten oder personellen Mitteln usw. geleistet werden.[2]

Herr des Verfahrens bleibt die für das Verfahren selbst, meist aber nicht für die Amtshilfehandlung sachlich und örtlich zuständige ersuchende Finanzbehörde.[3] Das Verfahren selbst bleibt also bei der ersuchenden Behörde, es wird nicht voll übertragen. Deswegen richtet sich auch die Zulässigkeit der Maßnahmen nach dem Recht der ersuchenden Behörde[4] und trägt auch die ersuchende Behörde im Innenverhältnis die Verantwortung für deren Rechtmäßigkeit.[5] Eine Erweiterung der Kompetenzen der ersuchten Behörde durch die Amtshilfe findet daher nicht statt.

Zur Abgrenzung der Amtshilfe von der Rechtshilfe vgl. Klaproth, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, Vor §§ 111117 AO Rz. 3.

 

Rz. 3

Amtshilfe liegt nur dann vor, wenn die ersuchende Behörde um diese im Einzelfall bei einem oder mehreren Besteuerungsverfahren ersucht und die Hilfe lediglich ergänzend zur eigenen Tätigkeit in Anspruch nimmt.[6] Dies setzt keine Notsituation der ersuchenden Behörde voraus.[7]

Amtshilfe i. S. d. § 111 AO wird nur auf Ersuchen gewährt. Vom Wortlaut nicht erfasst sind inländische Spontanauskünfte.[8] Eine Mitteilung ohne vorheriges Ersuchen, sog. Kontrollmitteilung bzw. Spontanauskunft, ist keine Amtshilfe, sondern bedarf jeweils einer eigenständigen Ermächtigungsgrundlage. Eine solche findet sich beispielsweise in §§ 93a, 116 oder § 194 AO.[9] Im Internationalen Bereich finden sich Vorschriften über Spontanauskünfte beispielsweise in § 8 EUAHiG oder in den DBA.

[2] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 111 AO Rz. 26.
[3] Seer, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021, Rz. 21.270.
[6] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 111 AO Rz. 40.
[7] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 111 AO Rz. 4.
[8] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 111 AO Rz. 2.
[9] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 111 AO Rz. 50.

2.2 Durchführung der Besteuerung

 

Rz. 4

Die Einseitigkeit der Amtshilferegelung des § 111 Abs. 1 AO ergibt sich daraus, dass nach dieser Vorschrift die zur Durchführung der Besteuerung erforderliche Amtshilfe zu leisten ist. Amtshilfe aus dem Bereich der Besteuerung ist danach wiederum lediglich zur Durchführung der Besteuerung vorgesehen.

Da das Gesetz seinen Vierten Teil[1] mit "Durchführung der Besteuerung" überschrieben hat, könnte die Umschreibung in § 111 Abs. 1 AO zu der falschen Schlussfolgerung verleiten, die Amtshilferegelung der §§ 111ff. AO würde nur für die Verfahren des Vierten Teils der AO gelten. Die "Durchführung der Besteuerung" in § 111 Abs. 1 AO ist jedoch nur aufgrund einer unklaren Ausdrucksweise des Gesetzgebers mit der Überschrift des Vierten Teils identisch. Sie ist vielmehr weiter auszulegen und umfasst alle Verfahren der AO und der Einzelsteuergesetze, also z. B. auch das Erhebungs-, Vollstreckungs- und Rechtsbehelfsverfahren. Für die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen enthält allerdings § 250 AO eine besondere Regelung des Vollstreckungsersuchens, die als spezielleres Recht der Amtshilfe vorgeht.[2] Soweit dort nichts Abweichendes geregelt ist, bleiben jedoch die Amtshilfevorschriften der §§ 111ff. AO anwendbar. Auch der Steuerfahndung, die die Ermittlungsbefugnisse der FÄ hat[3], ist Amtshilfe nach §§ 111ff. AO zu leisten. So kann ein FA durch Prüfungshandlungen und Übermittlung ihrer Ergebnisse der Steuerfahndung Amtshilfe leisten.

[2] Koenig...

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