1 Grundsätzliche Regelung

 

Rz. 1

Für die Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen hebt § 105 Abs. 1 AO die Verschwiegenheitspflicht auf, soweit es um Auskunfts- und Vorlagepflichten gegenüber den Finanzbehörden geht. Einschränkungen dieses Grundsatzes ergeben sich aus § 105 Abs. 2 AO.

Nach den §§ 93, 114 AO kann die Finanzbehörde auch von anderen Behörden[1] oder von sonstigen öffentlichen Stellen, also allen in gewisser Weise selbstständigen Organisationseinheiten, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen[2] sowie von deren Bediensteten Auskunft bzw. die Vorlage von Urkunden verlangen. § 105 Abs. 1 AO beseitigt die aufgrund verschiedener Bestimmungen[3] bestehende Pflicht zur Amtsverschwiegenheit. Eine besondere Aussagegenehmigung des Dienstvorgesetzten ist nicht erforderlich.[4]

Die Regelungen des § 105 AO gelten nach § 111 Abs. 5 AO auch, wenn die Mitwirkung im Wege der Amtshilfe angefordert wird.

Im finanzgerichtlichen Klageverfahren gilt nach § 84 FGO die Vorschrift des § 105 AO nicht. Daraus folgt aber kein Aussageverweigerungsrecht für Amtsträger von Behörden oder Angehörige sonstiger öffentlicher Stellen im finanzgerichtlichen Verfahren.[5]

[2] Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 105 AO Rz. 12; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 105 AO Rz. 1.
[4] S. z. B. Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 105 AO Rz. 12.
[5] FG Münster v. 13.3.1992, 13 K 422/89 E, EFG 1992, 571; BFH v. 21.12.1992, XI B 55/92, BStBl II 1993, 451.

2 Von § 105 Abs. 1 AO abweichende gesetzliche Regelung

2.1 Allgemeines

 

Rz. 2

Das Interesse an der zutreffenden Ermittlung des für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhalts und die daraus resultierende grundsätzliche Auskunfts- und Vorlagepflicht von Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen (s. Rz. 1) muss jedoch hinter das öffentliche Interesse an der Verschwiegenheit staatlicher Organe zurücktreten, wenn eine entsprechende gesetzliche Vorschrift dies ausdrücklich vorsieht und die Anwendung des § 105 Abs. 1 AO ausschließt.

Verschwiegenheitspflichten, die sich aus Vorschriften einer Berufsordnung für Berufskammern ergeben, verdrängen nicht die steuerlichen Auskunftspflichten.[1] Die Auskunftspflicht der Rechtsanwaltskammer entfällt nicht durch die in § 76 Abs. 1 BRAO angeordnete Verschwiegenheitspflicht des Kammervorstands.[2]

2.2 § 105 Abs. 2 AO: Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis

 

Rz. 3

Gemäß § 105 Abs. 2 AO ist das sich aus Art. 10 GG i. V. m. § 5 PostG ergebende Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis auch gegenüber den Finanzbehörden zu wahren.[1]

Auskünfte oder Urkunden, die unter Verstoß gegen das Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis erlangt worden sind, dürfen steuerlich nicht verwertet werden.[2]

Das Postgeheimnis gilt auch für den Zahlungsverkehr mittels Postanweisung, nicht jedoch für den Zahlungs- und Geldverkehr im Postsparkassendienst[3] und den Postgirodienst[4] Die Finanzbehörden können hier, wie von anderen Banken oder Geldinstituten,[5] Auskunft über Konten und Geldverkehr verlangen.[6]

[1] Zur Verwertung der Erkenntnisse aus der strafprozessualen Telefonüberwachung s. FG Baden-Württemberg v. 18.12.1989, IX K 243/89, EFG 1990, 507; BFH v. 26.2.2001, VII B 265/00, BStBl II 2001, 464; FG Baden-Württemberg v. 11.6.2002, 11 K 70/99, EFG 2002, 1148.
[2] Linssen, in Gosch, AO/FGO, § 105 AO Rz. 6.
[3] § 23 Abs. 2 PostsparkassenO.
[6] Linssen, in Gosch, AO/FGO, § 105 AO Rz. 4; Schuster, in HHPS, AO, § 105 AO/FGO Rz. 17.

2.3 Beeinträchtigung des staatlichen Wohls

 

Rz. 4

Die behördliche Auskunfts- und Vorlagepflicht wird generell ausgeschlossen, wenn dies eine Beeinträchtigung des staatlichen Wohls zur Folge haben könnte.[1]

[1] S. Erl. bei Dumke, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, zu § 106 AO.

3 Rechtsmittel

 

Rz. 5

Will die Behörde oder sonstige Stelle (s. Rz. 1) die Aufforderung zur Mitwirkung nach den §§ 93, 97 AO nicht erfüllen, so muss sie gegen die Aufforderung Einspruch[1] einlegen.[2]

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