1 Grundlagen

1.1 Einordnung und Zweck der Vorschrift

 

Rz. 1

§ 104 AO ist eine Ergänzung zu den allgemeinen Mitwirkungsverweigerungsrechten nach §§ 101103 AO. § 104 Abs. 1 S. 1 AO verhindert eine Umgehung des Auskunftsverweigerungsrechts durch die Anordnung der Urkunden- oder Wertsachenvorlage bzw. die Verpflichtung zur Erstattung eines Sachverständigengutachtens. § 104 Abs. 1 S. 2 AO bleibt unberührt.

Die Einnahme des Augenscheins nach den §§ 98, 99 AO kann nicht verweigert werden.[1] Das Weigerungsrecht wird gem. § 104 Abs. 2 AO eingeschränkt, wenn Urkunden oder Wertsachen für den Beteiligten aufbewahrt werden und dieser bei eigenem Gewahrsam zur Vorlage verpflichtet wäre.

[1] Schindler, in Gosch, AO/FGO, § 104 AO Rz. 1.

1.2 Selbstständige Verweigerungsrechte

 

Rz. 2

Die Verweigerungsrechte nach § 104 Abs. 1 AO sind selbstständige Rechte. Vorausgesetzt wird nur das Vorliegen der Auskunftsverweigerungsrechte nach §§ 101103 AO, nicht ihre Geltendmachung.[1] Sie bestehen auch, wenn die Finanzbehörde ein Auskunftsersuchen gar nicht gestellt hat.

Inhalt und Umfang der Verweigerungsrechte nach § 104 AO werden durch §§ 101103 AO bestimmt.[2] Die in § 102 AO aufgezählten Berufsträger können die Vorlage von Urkunden in fremden und eigenen Steuersachen verweigern.[3] Ergeben sich Tatsachen, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt, aus vorzulegenden Urkunden (z. B. Postausgangsbuch oder Fahrtenbuch), so ergibt sich das Verweigerungsrecht für die Urkundenvorlage.[4]

Gleiches gilt für die Verzichtbarkeit, den Rechtsschutz und die Rechtsfolgen der Geltendmachung bzw. Nichtgeltendmachung.

[1] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 104 AO Rz. 1; Schindler, in Gosch, AO/FGO, § 104 AO Rz. 4.
[3] Pahlke, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 102 AO Rz. 1; Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 104 AO Rz. 11.

1.3 Belehrung

 

Rz. 3

§ 104 AO sieht eine Belehrungspflicht der Finanzbehörde über die Verweigerungsrechte nicht vor. Aus dem Zweck der Vorschrift (s. Rz. 1) folgt aber eine Belehrungspflicht auch hinsichtlich der Verweigerungsrechte nach § 104 AO, soweit eine solche nach §§ 101103 AO gegeben ist.[1]

[1] Wagner, in Kühn/v. Wedelstädt, AO, 22. Aufl. 2018, § 104 AO Rz. 2; Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 104 AO Rz. 18; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 104 AO Rz. 6; Schindler, in Gosch, AO/FGO, § 104 AO Rz. 12.

2 Gegenstand des Verweigerungsrechts (§ 104 Abs. 1 AO)

2.1 Sachverständigenpflicht

 

Rz. 4

Das Bestehen eines Auskunftsverweigerungsrechts nach §§ 101103 AO hat zur Folge, dass der Weigerungsberechtigte auch nicht verpflichtet ist, für die Finanzbehörde in dieser Steuersache als Sachverständiger[1] zu fungieren. Die Ablehnung entspricht einer Befangenheitserklärung i. S. v. § 96 Abs. 4 AO.

2.2 Vorlagepflicht

 

Rz. 5

Der zur Verweigerung der Mitwirkung nach §§ 101103 AO Berechtigte kann grundsätzlich auch die Vorlage von Urkunden oder Wertsachen[1] verweigern, soweit das Verweigerungsrecht besteht (s. Rz. 2). Urkunden i. d. S. sind sämtliche in Schriftzeichen verkörperte oder auf einem Bild- bzw. Datenträger- festgehaltene Gedankenäußerungen, die allgemein oder für informierte Personen verständlich sind, den Urheber erkennen lassen und zum Beweis eines rechtlich erheblichen Sachverhalts geeignet sind.[2] Auch die Geschäftsbücher und Aufzeichnungen[3] sind "Urkunden"[4]

 

Rz. 6

Ärzte brauchen die Patientenkartei nicht vorzulegen.[5] Rechtsanwälte und Angehörige der steuerberatenden Berufe brauchen ihre Handakten nicht vorzulegen.[6] Nach § 102 AO[7] bezieht sich die Befugnis zur Zeugnisverweigerung u. a. auch auf die Identität des Mandanten und die Tatsache seiner Beratung.[8]

 

Rz. 7

Allerdings rechtfertigt das Mitwirkungsverweigerungsrecht eines Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe nicht seine vollständige Verweigerung der Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts in den eigenen Steuerangelegenheiten. Die Urkundenvorlage hat zu erfolgen, soweit die Identität des Mandanten und die Tatsache seiner Beratung nicht berührt wird. Es bleibt dem Vorlagepflichtigen unbenommen, durch organisatorische Maßnahmen an vorzulegenden bzw. zu benennenden Beweismitteln sicherzustellen, dass die Identität der Mandanten und die Tatsache seiner Beratung nicht erkennbar wird.[9]

2.3 Ausnahme: Notare (§ 104 Abs. 1 S. 2 AO)

 

Rz. 8

Dies gilt jedoch nicht für Notare, soweit eine gesetzliche Anzeige- oder Vorlagepflicht besteht.[1] Die Vorlagepflicht der Notare ist inhaltlich beschränkt auf solche Urkunden, die ...

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