Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzverwalter. Sicherungshypothek. Löschungsbewilligung. Haftungsbescheid gegen persönlich haftenden Gesellschafter wegen Steuerschulden ohne rechtlichen Grund. Geltendmachung der persönlichen Haftung des Gesellschafters während des Insolvenzverfahrens nur durch den Insolvenzverwalter. Gleichmäßige Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Finanzamt darf nicht gegen den persönlich haftenden Gesellschafter einer in Insolvenz befindlichen Kommanditgesellschaft einen Haftungsbescheid erlassen und die Eintragung einer Sicherungshypothek beantragen. In Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kann nur der Insolvenzverwalter die persönliche Haftung des Gesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft geltend machen.

 

Normenkette

BGB § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt., § 818 Abs. 2; InsO § 93; HGB §§ 128, 161 Abs. 2; KO § 212; AO §§ 34, 69

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Urteil vom 09.11.2000; Aktenzeichen 12 O 41/00)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 04.07.2002; Aktenzeichen IX ZR 265/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das am 9. November 2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 42.554,86 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 6. August 2000 sowie 4 % Zinsen auf 49.121,94 DM für den Zeitraum 1. Juni bis 5. August 2000 zu zahlen. Der weitergehende Zinsanspruch wird abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung von 56.000,– DM abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer der Beklagten liegt unter 60.000,– DM.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger hat in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. M. KG mit am 2. Februar 2000 erhobener Klage von der Beklagten zunächst verlangt, dass diese der Löschung einer zu ihren Gunsten im Grundbuch des Amtsgerichts Göttingen von Lenglern unter Bd. 34, Blatt xxx, Abteilung III Nr. 5 eingetragenen Sicherungshypothek in Höhe von 84.575,94 DM zustimmt. Nachdem die Beklagte am 11. Februar 2000 die begehrte Löschungsbewilligung Zug um Zug gegen Zahlung von 49.121,94 DM erteilt hatte, hat der Kläger Zahlung von 49.121,94 DM verlangt. Nachdem die Beklagte mit Eingang am 5. August 2000 weitere 6.567,08 DM an den Kläger gezahlt hatte, hat der Kläger die Klage in Höhe von 6.567,08 DM einseitig in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der H. M. KG (im folgenden Schuldnerin), deren persönlich haftender Gesellschafter M. war, wurde am 30. Juni 1999 eröffnet.

Die Beklagte, vertreten durch das Finanzamt Oldenburg, erließ am 4. Oktober 1999 gegen M. gemäß §§ 191, 34, 69 AO einen Haftungsbescheid über 83.791,86 DM (Bl. 22–26 d.A.) mit der Begründung, dass er es als geschäftführender Gesellschafter der Schuldnerin grob fahrlässig unterlassen habe, von der Schuldnerin geschuldete Steuern, insbesondere Lohn- und Umsatzsteuern, abzuführen. M. ließ den Haftungsbescheid bestandskräftig werden.

Auf der Grundlage des Haftungsbescheides beantragte die Beklagte, vertreten durch das Finanzamt Oldenburg, bei dem Amtsgericht Göttingen/Grundbuchamt die Eintragung einer Sicherungshypothek in Höhe von 84.575,74 DM auf dem im Grundbuch von Lenglern unter Bd. 34, Blatt xxx eingetragenen Grundstück, welches M. zur ideellen Hälfte gehörte. Im Grundbuch wurde daraufhin am 14. Dezember 1999 die beantragte Sicherungshypothek eingetragen.

Der Kläger hat unter Hinweis auf § 93 InsO, wonach in Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit die persönliche Haftung des Gesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden könne, die Ansicht vertreten, dass die Beklagte, vertreten durch das Finanzamt Oldenburg, nicht berechtigt gewesen sei, die Eintragung der Sicherungshypothek zu beantragen (s. im einzelnen Bl. 35–37 d.A.).

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 49.121,94 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 1. Juni 2000 an ihn zu verurteilen, abzüglich am 5. August 2000 eingegangener 6.567,08 DM.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, dass § 93 InsO nur eingreife, wenn gegenüber einem Gesellschafter eine Haftung für Gesellschaftsschulden allein aus der Gesellschafterstellung heraus geltend gemacht werden solle, nicht aber, wenn der Gesellschafter aufgrund einer besonderen Norm auch persönlich für die Schuld einzustehen habe (im einzelnen Bl. 20 f. und Bl. 53–55 d.A.).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 15. November 2000 zugestellt worden ist, richtet sich die am 21. Novemb...

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