Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz hinsichtlich § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG a. F. (keine Verrechnung von Verlusten aus Aktienverkauf mit Einkünften aus Kapitalvermögen)

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beschränkung des Verlustausgleichs bei Verlusten aus der Veräußerung von Aktien gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG a.F. ist verfassungsgemäß.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 6 Sätze 5, 1, § 20 S. 2; GG Art. 3; FGO § 46 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 17.11.2020; Aktenzeichen VIII R 11/18)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Verrechnung von Verlusten aus dem Verkauf von Aktien mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden kann.

Die Kläger werden zusammen veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Steuerberater sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Klägerin erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen.

Auf Grundlage der am 30. Juni 2013 eingereichten Einkommensteuererklärung erging der Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 4. Oktober 2013, mit dem die Einkommensteuer auf 81.393,00 € festgesetzt wurde. Dabei wurden die Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nach § 32 d Abs. 1 EStG besteuert werden (Abgeltungssteuer) wie folgt berücksichtigt:

Ehemann

Ehefrau

Kapitalerträge

2.092,00 €

1.289,00 €

Verluste aus der Veräußerung von Aktien

-4.819,00 €

davon nicht ausgleichsfähige Verluste

4.819,00 €

abzügl. Sparer-Pauschbetrag

801,00 €

801,00 €

Kapitalerträge i. S. d. § 32 d Abs. 1 EStG

1.291,00 €

488,00 €

Zudem wurde mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2012 vom 4. Oktober 2013 der verbleibende Verlustvortrag nach § 10 d Abs. 4 EStG für die Einkünfte aus Kapitalvermögen (Veräußerung von Aktien) auf 4.819,00 € festgestellt.

Am 29. Oktober 2013 ging ein Einspruchsschreiben vom 27. Oktober 2013 beim Beklagten ein. Dieses Schreiben trug den Kopfbogen des Klägers als Steuerberater und bezeichnete im Betreff die Steuernummer sowie die Namen der Kläger. Nach der Anrede folgt die Formulierung: „hiermit lege ich gegen den o. g. Bescheid Einspruch ein.“ Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich der Einspruch gegen die Anwendung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG wende, da diese Regelung gegen Art. 3 GG verstoße und damit verfassungswidrig sei. Diese Rechtsauffassung gründe sich auf die Ausführungen des BFH in seinem Urteil vom 18. Oktober 2006 (IX R 28/05). Der BFH habe die Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 8 f. EStG als verfassungsgemäß angesehen, da es sich um eine besondere Regelung handele, die nur bei Anschaffungen und Veräußerungen innerhalb bestimmter Fristen zum Tragen komme. Daraus lasse sich eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Einkünften rechtfertigen. Anders sei die Situation jedoch bei der Verlusteinschränkung innerhalb der dem Sondersteuersatz von § 25 unterliegenden Einkünften des § 20 EStG. Die fristenlose Besteuerung von Substanzgewinnen in Kapitalanlagen ab 2009 durch die Regelung des § 20 Abs. 2 EStG würde vom Gesetzgeber mit der Gleichstellung von Substanzgewinnen mit laufenden Kapitalerträgen gerechtfertigt. Damit stelle der Gesetzgeber u. a. Substanzgewinne laufenden Gewinnausschüttungen gleich. Sämtliche Kapitalerträge – unabhängig davon, ob es sich um Substanzgewinne oder laufende Erträge handele – könnten nach § 20 Abs. 6 EStG untereinander ausgeglichen werden. Die einzige Ausnahme stellten die Verluste aus Aktienverkäufen dar.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebiete dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln; er sei verletzt, wenn

  • sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lasse oder
  • eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt werde, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BverfG-Urteil vom 6.3.2002 (2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, BFH/NV Beilage 2002, 60 m. w. N.).

Im Streitfall sei festzuhalten, dass es sich beim Anwendungsbereich des § 20 EStG grundsätzlich um Kapitalanlagen handele. Die Kapitalanlageformen seien vielfältig. Dennoch erfasse der § 20 EStG grundsätzlich sämtliche Formen der Kapitalanlagen und führe sowohl laufende Erträge als auch Substanzsteigerungen der Besteuerung zu. Ein Unterschied zwischen den einzelnen Kapitalanlageformen, die eine Verlustverrechnungsbeschränkung untereinander rechtfertigen könnte, sei nicht ersichtlich. § 20 Abs. 2 EStG erfasse u. a. Veräußerungen von Optionsscheinen, Genussrechten, Indexzertifikaten, Anleihen, Aktien, Anteilen an GmbHs (soweit nicht § 17 EStG erfüllt sei) u.v.m.. Verluste aus diesem Bereich könnten – einschließlich der Verluste aus Termingeschäften – mit anderen Kapitalerträgen ver...

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