Entscheidungsstichwort (Thema)

Belieferungsrechte als selbständig bewertungsfähiges, abschreibbares immaterielles Wirtschaftsgut

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Mit dem Erwerb eines Pressegrossisten wird nur die Möglichkeit der Erlangung von Belieferungsrechten eröffnet. Mangels Übertragbarkeit durch den Veräußerer stellen die Belieferungsrechte kein selbständig bewertungsfähiges, abschreibbares immaterielles Wirtschaftsgut dar.

2. Die Belieferungsmöglichkeiten enthalten im Wesentlichen die Umsatz- und Gewinnchancen des Unternehmens, welche zu den geschäftswertbildenden Faktoren eines Pressegrossisten zählen. Der über die Teilwerte der materiellen Wirtschaftsgüter hinaus gezahlte Kaufpreis (Mehrpreis) ist daher als Aufwendung für einen Geschäfts- oder Firmenwert anzusehen, der gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG über 15 Jahre abzuschreiben ist.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 7 Abs. 1 S. 3

 

Tatbestand

Strittig ist, ob der bei Erwerb der A KG durch die C GmbH & Co. KG (Klägerin) über die Teilwerte der materiellen Wirtschaftsgüter hinaus gezahlte Kaufpreis (Mehrpreis) als ab-nutzbares immaterielles Einzelwirtschaftsgut oder als Geschäfts- oder Firmenwert zu bilanzieren ist.

Die A KG war ein auf den Handel mit Zeitungen und Zeitschriften spezialisierter Großhändler auf der Handelsstufe zwischen den Verlagen und den Einzelhändlern (sog. Presse-Grossist) mit Standort in F.

Bei der Klägerin handelt es sich ebenfalls um einen Presse-Grossisten. Sie ist in 2011 aus der Fusion der H GmbH & Co. KG aus J sowie der L KG aus N hervorgegangen.

Die Klägerin hatte als Vertriebsgebiet das nördliche Schleswig-Holstein sowie drei Kreise mit zwei kreisfreien Städten inne. Das Vertriebsgebiet der A KG bestand aus dem Kreis O und Teilen dreier weiterer Kreise.

In Deutschland werden nahezu alle Zeitungen und Zeitschriften, die über den stationären Einzelhandel mit Ausnahme des Bahnhofsbuchhandels verkauft werden, auf Großhandelsebene von Pressegrossisten vertrieben. Grundsätzlich versorgt jeweils nur ein einziger Grossist ein bestimmtes Gebiet mit den Publikationen sämtlicher Verlage (Monopolstellung). Lediglich in Hamburg und Berlin existierte im Jahr 2011 ein sogenanntes Dop-pel-Grosso. Auf Initiative der Bundesregierung haben sich im August 2004 der Verband Deutscher Zeitschriften-Verleger (VDZ), dem auch die Q Group angehört, sowie dem Bundesverband Presse-Grosso (BVPG), dessen Mitglied die A KG war, in einer gemeinsamen Erklärung zugunsten der Überallerhältlichkeit und Vielfalt des Presseangebots in Deutschland zum bewährten Grosso-Vertriebssystem einmütig bekannt. Als unabdingbar für das Grosso-System und damit charakteristisch werden hierin das Dispositionsrecht, Remissionsrecht, Preisbindung, Verwendungsbindung, Neutralitätsverpflichtung und gebietsbezogene Alleinauslieferung verstanden. Das Dispositionsrecht beschreibt das Recht der Verlage, den Grossisten das Sortiment und die zu vertreibenden Mengen weitgehend vorzugeben. Der Grossist hat insoweit eine Abnahmeverpflichtung gegenüber den Verlagen und übt seinerseits das Dispositionsrecht gegenüber dem Einzelhandel aus, der wiederum gegenüber den Grossisten zur Abnahme verpflichtet ist. Mit dem Dispositionsrecht korrespondiert das Remissionsrecht, also das Recht des Einzelhandels und der Grossisten, nicht verkaufte Exemplare an die Verlage zum Einkaufspreis zurückzugeben. Die Preisbindung betrifft das traditionelle Recht der Verlage zur Festlegung des Verkaufspreises für Zeitungen und Zeitschriften. Die Verwendungsbindung bedeutet, dass die Grossisten die ihnen überlassenen Presseerzeugnisse jeweils nur zu dem vom Verlag vorgesehenen Zweck verwenden dürfen. Die Neutralitätsverpflichtung auf Grosso-Ebene beschreibt die Verpflichtung der Grossisten zur Gleichbehandlung aller Presseprodukte bzw. Verlage. Die gebietsbezogene Alleinauslieferung der Grossisten wird dabei als die effiziente Konsequenz dieser Essentials gesehen, um die Aufgabe der flächendeckenden Presseversorgung im Einzelhandel logistisch und wirtschaftlich durch die Grossisten sicherstellen zu können. Einhergehend mit diesem Bekenntnis für eine partnerschaftliche und langfristige Zusammenarbeit sehen Grossisten und Verlage keine Notwendigkeit, das Grosso-System gesetzlich zu sichern. Die Geschäftsbeziehungen sollen, unter Berücksichtigung der Essentials, marktwirtschaftlichen Bedingungen unterliegen. Die Verlage treffen dabei mit den Grossisten - zumeist mündlich - jeweils gesondert rechtsverbindliche Vereinbarungen über die Lieferbeziehungen für das jeweilige Vertriebsgebiet. Ein Übergang von Lieferbeziehungen im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge oder durch den Erwerb eines Unternehmens kann dabei nicht automatisch stattfinden, sondern es bedarf im Falle z.B. einer Betriebsübernahme einer ausdrücklichen Neubegründung mit dem zukünftigen Vertriebspartner. Insoweit sind die Lieferbeziehungen zu den Verlagen für die Grossisten nicht disponibel. Die Handelsspannen der Grossisten werden zwischen den Grossisten und...

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