Entscheidungsstichwort (Thema)

Nach Insolvenzeröffnung durch nichtselbständige Tätigkeit begründete Einkommensteuerschulden keine Masseverbindlichkeiten

 

Leitsatz (amtlich)

Die durch die Insolvenzschuldnerin aufgrund einer nach Insolvenzeröffnung ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit begründeten Einkommensteuerverbindlichkeiten sind nicht gegenüber dem Treuhänder festzusetzen, da es sich nicht um Masseverbindlichkeiten handelt.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Nr. 1; InsO §§ 35-36, 55 Abs. 1 Nr. 1, § 80; ZPO § 850e Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.02.2011; Aktenzeichen VI R 21/10)

 

Tatbestand

Streitig ist die Behandlung der für den Zeitraum nach Insolvenzeröffnung für die Insolvenzschuldnerin festgesetzten Einkommensteuer, Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlages für das Jahr 2005 sowie das Jahr 2006 als Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Insolvenzordnung (InsO).

Ferner ist streitig der Aufteilungsbescheid über die vorgehend angeführten Forderungen für das Jahr 2006.

Die Insolvenzschuldnerin und ihr Ehegatte waren für den Veranlagungszeitraum 2005 und den Veranlagungszeitraum 2006 mit sonstigen Einkünften aus einer Leibrente des Ehemannes und mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit der Ehefrau einkommen-steuerpflichtig.

Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin ist mit Datum vom 20. April 2005, über das Vermögen des Ehemannes mit Datum vom 6. April 2005 das vereinfachte Insolvenzverfahren eröffnet worden. Treuhänder in beiden Verfahren ist der Kläger.

Sowohl die Einkommensteuerzusammenveranlagung für das Jahr 2005 als auch die Einkommensteuerzusammenveranlagung für das Jahr 2006 erfolgten unter Ansatz der Besteuerungsgrundlagen laut Einkommensteuererklärung für die beiden Jahre.

Für den Zeitraum 2005 vor Insolvenzeröffnung erging an den Kläger als Treuhänder eine Steuerberechnung für die Insolvenzschuldnerin über die auf diese Zeit anteilig entfallenden Steuerbeträge (Insolvenzforderungen). Für den Zeitraum 2005 nach Verfahrenseröffnung wurde dem Treuhänder mit Datum vom 7. November 2006 ein Einkommensteuerbescheid erteilt. Von den darin für die Eheleute als Gesamtschuldner festgesetzten Nachzahlungsbeträgen (Einkommensteuer 797,54 €, Kirchensteuer 71,15 €, Solidaritätszuschlag 0,00 €) entfielen laut Aufteilung in der Anlage zum angefochtenen Einkommensteuerbescheid auf die Insolvenzschuldnerin Einkommensteuer in Höhe von 776,48 € und Kirchensteuer in Höhe von 69,26 €.

Der Einkommensteuerbescheid 2006 wurde dem Kläger mit Datum vom 13. September 2007 erteilt. Darin waren Nachzahlungsbeträge für die Eheleute als Gesamtschuldner wie folgt festgesetzt: Einkommensteuer 616,00 €, Kirchensteuer 55,44 €, Solidaritätszuschlag 0,00 €. Neben den Erläuterungen zu den Abweichungen von der Steuererklärung enthielt der Bescheid den Hinweis darauf, dass die Steuerfestsetzung die Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit betrifft. Auf Antrag des Treuhänders vom 25. Juli 2007 erging an ihn ein Aufteilungsbescheid über die im Einkommensteuerbescheid 2006 festgesetzten Forderungen mit Datum vom 13. September 2007. Danach entfiel auf die Insolvenzschuldnerin Einkommensteuer in Höhe von 534,75 € und Kirchensteuer in Höhe von 48,13 €.

Gegen diese an ihn als Treuhänder der Insolvenzschuldnerin gerichteten Bescheide erhob der Kläger mit Schreiben vom 20. November 2006 (für 2005) bzw. mit Schreiben vom 8. Oktober 2007 (für 2006) Einspruch. Der Kläger rügte die Geltendmachung der für den Zeitraum nach Insolvenzeröffnung für die Insolvenzschuldnerin festgesetzten und auf diese entfallenden Beträge für Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag mit dem Rang von Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO. Es sei vielmehr von Neuverbindlichkeiten der Schuldnerin auszugehen. Den Einspruch gegen den Aufteilungsbescheid legte der Kläger vorsorglich ohne weitergehende Begründung ein.

Mit Datum vom 13. März 2008 erließ das beklagte Finanzamt Einspruchsentscheidungen, mit denen die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen wurden. Die Bescheide seien rechtmäßig, da es sich bei den Forderungen um Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO handele.

Mit der gegen diese Entscheidungen am 16. April 2008 beim Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht eingegangenen Klage macht der Kläger weiterhin geltend, die Forderungen des Finanzamtes seien nicht Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO, sondern vielmehr als Neuverbindlichkeiten der Schuldner anzusehen. Es hätte eine Festsetzung direkt gegenüber der Schuldnerin erfolgen müssen. Gegenstand der Einkommensteuer seien nach § 2 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) bestimmte Einkünfte, die der Steuerpflichtige erziele. Sofern sich gemäß § 34 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) eine Verpflichtung für den Treuhänder ergäbe, sei diese nicht unbegrenzt, sondern nur "soweit ihre Verwaltung reicht". Soweit die Einkommensteuer durch Einkünfte begründet würde, die der Verwalter mit der Masse erzielt habe, sei die Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu be...

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