Entscheidungsstichwort (Thema)

Besteuerung nach § 6 AStG i.V.m. § 17 EStG im Falle einer wesentlichen Beteiligung bei Übertragung der wesentlichen Beteiligung im Wege eines Wertpapierdarlehens auf einen Dritten

 

Leitsatz (amtlich)

Wird bei einem Steuerpflichtigen die unbeschränkte Steuerpflicht durch einen Wegzug ins Ausland (hier Schweiz) beendet, so kann eine Besteuerung nach § 6 AStG i.V.m. § 17 EStG im Falle einer wesentlichen Beteiligung auch dann erfolgen, wenn der Steuerpflichtige seine Anteile - welche die wesentliche Beteiligung i.S.d. § 17 EStG begründeten - kurz vor dem Wegzug im Wege eines Wertpapierdarlehens auf einen Dritten übertragen hat. Zwar erfolgt bei einem Wertpapierdarlehen grundsätzlich eine vollständige Übertragung der Anteile (ohne Aufdeckung der stillen Reserven) auf den Darlehensnehmer, sodass der Darlehensgeber für die Leihzeit grundsätzlich nicht mehr (wirtschaftlicher) Eigentümer der Anteile ist. Die stillen Reserven bleiben aber beim Darlehensgeber nach § 17 EStG verstrickt - und eine Besteuerung nach § 6 AStG i.V.m. § 17 EStG bleibt daher möglich -, weil dessen Rückgewähranspruch aus dem Darlehensvertrag als "Anwartschaft" i.S.d. § 17 Abs. 1 S. 3 EStG anzusehen ist.

 

Normenkette

AStG § 6; EStG § 17

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.11.2022; Aktenzeichen I R 52/19)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines Gewinns nach § 6 Außensteuergesetz (AStG) in Verbindung mit § 17 Einkommensteuergesetz (EStG).

Der Kläger wurde im Streitjahr 2006 mit seiner Ehefrau gem. §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Geschäftsführer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die einheitlich und gesondert festgestellt wurden. Daneben bezogen die Eheleute Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von verschiedenen Objekten sowie aus Bauherren-, bzw. Erwerbergemeinschaften.

Der Kläger übte seine Geschäftsführertätigkeit im Jahr 2006 bei der A GmbH in C aus. Ab dem 1. Januar 2007 sollte er seine Tätigkeit in der Schweiz ausüben, da er dort eine dem A-Konzern angehörende Gesellschaft mitbegründen sollte. Zu diesem Zweck erfolgte zunächst eine Anstellung bei einer luxemburgischen Gesellschaft des Konzerns mit Wirkung zum 1. Januar 2007, später dann bei der neu gegründeten Schweizer Gesellschaft. Um die Tätigkeit in der Schweiz vertragsgemäß ausüben zu können, verlagerten die Eheleute ihren Wohnsitz in die Schweiz. Laut Auskunft des Einwohnermeldeamtes ist der Kläger am 22. Dezember 2006 in die Schweiz verzogen; der Wegzug der Ehefrau wurde laut Einwohnermeldeamt am 29. Dezember 2006 vollzogen. Nach den - im Rahmen der Einspruchsentscheidung nicht mehr angegriffenen - Angaben der Eheleute wurde der Umzug tatsächlich jedoch von beiden Eheleuten erst am 29. Dezember 2006 final vollzogen. Die melderechtlichen Ummeldungen hatten die Eheleute vorab im Hinblick auf den sich abzeichnenden Umzug vorgenommen.

Der Kläger hielt im Veranlagungszeitraum 2006 eine wesentliche Beteiligung i.S.d. § 17 EStG an der E AG (im Folgenden: die AG). Die AG ist eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft und hat seit dem 1. Juli 2005 ein Stammkapital in Höhe von 18 Millionen €. Das Stammkapital ist eingeteilt in 49.400 Stück auf den Namen lautende Aktien zu 300 € sowie 106.000 Stück auf den Namen lautende Aktien zu 30 €. Die Satzung der Aktiengesellschaft sieht unter § 3 Abs. 1 vor, dass jede Verfügung über die Namensaktien an die Genehmigung der Hauptversammlung gebunden ist. Je 30 € des eingezahlten Aktienkapitals wird nach § 4 Abs. 1 der Satzung eine Stimme gewährt. Nach § 10 Abs. 3 der Satzung sind die Beschlüsse der Hauptversammlung, soweit nicht zwingende Vorschriften des Aktiengesetzes etwas Abweichendes bestimmen, mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen.

Der Kläger hielt 558 Stück Aktien zu 300 € und 420 Stück Aktien zu 30 € (zusammen 180.000 €). Des Weiteren erbte der Kläger mit dem Tod seines Vaters, Herrn G am 27. Dezember 2006 weitere 1.800 auf den Namen lautende Aktien zu einem Wert von nominal 30 € (zusammen 54.000 €). Insgesamt hielt der Kläger damit am 27. Dezember 2006 einen Nominalanteil an der AG von 1,3 % (234.000 €/ 18.000.000). Das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt I setzte im Erbschaftssteuerbescheid vom 30. November 2007 die geerbten Aktien mit einem Wert von 81.000 € - also einem "Kurswert" von 150 % auf das Nominal - an. Die Anschaffungskosten für den am 27. Dezember 2006 bestehenden Anteil des Klägers in Höhe von 1,3 % beliefen sich nach Mitteilung des Finanzamtes für Betriebs- und Konzernbetriebsprüfung K auf insgesamt 21.170 €. Der Unternehmenswert der AG wurde von der Konzernbetriebsprüfung mit einem "Kurswert" von 160 % des Nominalwertes bemessen. Zu dem Aktionärskreis gehörte und gehört neben dem Kläger und seinem Ende 2006 verstorbenen Vater u.a. auch der Bruder des Klägers, Herr M, welcher damaliger und heutiger Vorstandsvorsitzender der AG war bzw. ist.

Bereits am 19. November 1...

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