Entscheidungsstichwort (Thema)

Beantragung der Auszahlung des Kindergeldes durch Abzweigungsberechtigte im Sinne von § 74 Abs. 1 Sätze 1 und 3 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein abzweigungsberechtigtes Kind im Sinne von § 74 Abs. 1 EStG kann nach § 67 Satz 2 EStG eine Kindergeldfestsetzung zugunsten des Berechtigten beantragen und ist nicht an einen vorherigen Ablehnungsbescheid gegenüber dem Berechtigten gebunden, wenn es im ersten Festsetzungsverfahren nicht beteiligt war und der Ablehnungsbescheid ihm auch nicht bekannt gegeben wurde.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a, § 67 S. 2, § 74 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.11.2009; Aktenzeichen III R 67/07)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Kindergeldfestsetzung und -auszahlung.

Die Klägerin ist die älteste Tochter der Beigeladenen und von Herrn A. Die Beigeladene und Herr A haben zusammen sechs Kinder und sind seit Januar 2003 rechtskräftig geschieden. Die Klägerin wurde im November 1981 geboren. Seit August 1998 und bis einschließlich Dezember 2002 erhielt die Beigeladene für die Klägerin Kindergeld. Die Klägerin absolvierte nach ihrer Schulausbildung von August 2001 bis Ende Juni 2004 eine Ausbildung. Sie lebte zur Zeit dieser Ausbildung in einer eigenen Wohnung und erhielt von ihren Eltern keine Unterhaltsleistungen.

Die Beigeladene stellte am 26. März 2004 bei der Beklagten einen Kindergeldantrag für die Klägerin. Mit Bescheid vom 27. April 2004 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, weil die Einkünfte und Bezüge der Klägerin im Jahr 2003 den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von 7.188,-- € überschritten haben. Dieser Bescheid wurde von der Beigeladenen nicht mit dem Einspruch angefochten. Er wurde der Klägerin nicht bekannt gegeben.

Die Klägerin stellte am 29. August 2006 bei der Beklagten einen Antrag auf rückwirkende Auszahlung des Kindergeldes für den Zeitraum ihrer Ausbildung im zweiten und dritten Lehrjahr vom 01. August 2002 bis zum 23. Juni 2004. Sie bezog sich dabei auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2005 (2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164) und fügte ihre Lohnabrechnungen für 2002, 2003 und 2004 bei. Ferner bat sie um Übersendung eines Vordrucks, sofern für die rückwirkende Zahlung von Kindergeld eine formelle Antragstellung erforderlich sei.

Mit Bescheid vom 01. November 2006, gerichtet an die Beigeladene, setzte die Beklagte zu Gunsten der Beigeladenen Kindergeld für die Klägerin für die Monate Mai und Juni 2004 in Höhe von 179,-- € fest. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach Abzug der Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung der Grenzbetrag der Einkünfte und Bezüge der Klägerin nicht überschritten worden sei. Eine darüber hinausgehende rückwirkende Änderung des Ablehnungsbescheides vom 27. April 2004 könne nicht erfolgen. Mit diesem Bescheid sei der Kindergeldanspruch ab Januar 2003 abgelehnt worden. Mit Ablauf der Einspruchsfrist sei er bestandskräftig geworden. Ein neuer Kindergeldanspruch könne erst ab dem Folgemonat nach Bekanntgabe des ursprünglichen bestandskräftigen Bescheides festgesetzt werden. Die Nachzahlung werde an die Klägerin ausgezahlt. Dieser Bescheid wurde der Klägerin mit Schreiben vom 01. November 2006 von der Beklagten bekannt gegeben.

Die Klägerin legte am 27. November 2006 Einspruch gegen den Bescheid ein. Der Zeitraum vom 01. Januar 2004 bis einschließlich 31. April 2004 könne von der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides vom 27. April 2004 nicht erfasst werden. Eine sachliche Prüfung der Voraussetzungen des Kindergeldanspruches sei ausweislich des Ablehnungsbescheides nebst Anlagen nur für das Kalenderjahr 2003 erfolgt. Darüber hinaus sei die Klägerin von der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides gegenüber ihrer Mutter selbst nicht erfasst. Ihr im eigenen Namen gestellter Antrag sei nicht als Antrag auf Änderung des Ablehnungsbescheides vom 27. April 2004 zu werten, sondern als ihr erstmaliger Antrag auf Festsetzung des Kindergeldes gemäß § 67 Satz 2 EStG. Danach könne einen Antrag auf Festsetzung von Kindergeld außer dem Kindergeldberechtigten auch stellen, wer ein berechtigtes Interesse an der Leistung von Kindergeld habe. Diese Voraussetzungen lägen bei Abzweigungsberechtigten gemäß § 74 Abs. 1 EStG vor. Ihre Eltern seien geschieden und beide nicht erwerbstätig. Sie bezögen staatliche Leistungen und seien nicht unterhaltspflichtig. Deshalb läge eine Abzweigungsberechtigung vor. Durch ihren Antrag sei die Klägerin erstmals Beteiligte des Kindergeldfestsetzungsverfahrens geworden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 27. November 2006 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat am 27. Dezember 2006 beim Gericht einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt, dem mit Beschluss vom 26. März 2007 (3 S 261/06) im Wesentlichen stattgegeben wurde.

Die Klägerin hat am 30. März 2007 unter Bezugnahme auf den Prozesskostenhilfebeschluss Klage erhoben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

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