Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorauszahlungen zur Einkommensteuer durch einen Ehepartner nach Scheidung der Ehe

 

Leitsatz (redaktionell)

Ist die Ehe zum Zeitpunkt der Festsetzung von Vorauszahlungen zur ESt schon geschieden, werden die Vorauszahlungsbescheide aber bestandskräftig und leistet einer der früheren Ehegatten, ohne dass im Zeitpunkt der Zahlung gegenüber dem FA der Wille erkennbar hervortritt, nur auf eigene Rechnung zahlen zu wollen, hat das FA darüber hinaus keine Kenntnis von der Scheidung, ist davon auszugehen, dass der Ehepartner auf Rechnung beider Eheleute als Gesamtschuldner leisten wollte.

Bei einer Teilerledigung der Hauptsache ist eine einheitliche, aber gemischt-rechtliche Kostenentscheidung zu treffen.

 

Normenkette

AO § 37 Abs. 2, § 44 Abs. 1, §§ 118, 157; EStG § 36 Abs. 2; FGO §§ 135, 138

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 13.05.2015; Aktenzeichen VII R 38/14)

BFH (Beschluss vom 13.05.2015; Aktenzeichen VII R 38/14)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine Anrechnungsverfügung im Einkommensteuerbescheid für 2008.

Der Kläger war verheiratet mit B. Die im Jahr 2002 geschlossene Ehe wurde im Januar 2008 geschieden.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 16. Juli 2008 setzte der Beklagte Einkommensteuervorauszahlungen für 2008 jeweils zum 10. September und 10. Dezember 2008 in Höhe von jeweils 5.165 € fest. Der Kläger leistete die Vorauszahlungen wie folgt von seinem Konto:

III/2008

5.000,00 €

09.09.2008

A, "ST-Nr. ... Einkommensteuer"

556,00 €

10.09.2008

A, "ST-Nr. ... Einkommensteuer"

IV/2008

418,00 €

12.12.2008

A, "ST-Nr. ... Einkommensteuer"

4.582,00 €

12.12.2008

A, "ST-Nr. ... Einkommensteuer"

409,00 €

15.12.2008

A, "ST-Nr. ... Einkommensteuer"

Bei dem Konto des Klägers handelt es sich um das Geschäfts- und Privatkonto, welches er seit Jahren in den Einkommensteuererklärungen angegeben und gleichfalls für Steuererstattungen verwendet hat.

Von der Scheidung hatte der Beklagte zunächst keine Kenntnis.

  • Den Bescheid vom 16. Juli 2008 änderte der Beklagte mit Bescheid vom 21. September 2008 aufgrund eines Kirchenaustritts: Die festgesetzte Vorauszahlung zur Einkommensteuer 2008 für das 4. Kalendervierteljahr betrug unverändert 5.165 €. Auch dieser Bescheid war, wie der vom 16. Juli 2008, an die Eheleute adressiert.
  • Am 06. April 2009 ging beim Finanzamt die Einkommensteuererklärung für 2007 des Klägers und seiner Ehefrau ein. Die Erklärung enthielt keinen Hinweis darauf, dass die Ehe zwischenzeitlich geschieden worden war. Beantragt wurde die Zusammenveranlagung.

Am 06. Juni 2009 erfuhr der Beklagte von einer getrennt durchzuführenden Veranlagung: Aus einem Antrag auf Anpassung der Vorauszahlung konnte der dem Antrag beigefügten Berechnung entnommen werden "aktuelle Veranlagungswahl: getrennte Veranlagung", "Unterhaltszahlungen ... €" und ferner "zu versteuern nach der Grundtabelle".

Erst mit Eingang der Einkommensteuererklärung für 2008 am 20. Mai 2010 erfuhr der Beklagte von der Scheidung. Am 10. Juli 2010 übersandte der Kläger die Anlage U zur Einkommensteuererklärung 2008, aus der Unterhaltsleistungen an die geschiedene Ehefrau des Klägers zu entnehmen sind.

Im Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 18. September 2010 rechnete der Beklagte die für den Veranlagungszeitraum geleisteten Vorauszahlungen lediglich zur Hälfte an.

Den hiergegen eingelegten Einspruch begründet der Kläger damit, dass die geleisteten Steuerzahlungen für die Jahre 2008 und 2009 nach der Scheidung erfolgt seien. Die Zahlungen seien nur für seine Rechnung erfolgt. Sämtliche Beträge seien von seinem Betriebskonto für die fälligen Steuern seines Betriebes geleistet worden. Steuerbeträge seien seinem Konto gutzuschreiben. Er habe nach erfolgter Scheidung Zahlungen an das Finanzamt C geleistet. Für eine teilweise Zuordnung dieser Zahlungen auf eine nicht vorhandene Steuerschuld seiner ehemaligen Ehefrau fehle es an jeglicher Rechtsgrundlage.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Er wurde mit Einspruchsentscheidung vom 09. April 2011 als unbegründet zurückgewiesen. Seine Entscheidung begründet der Beklagte wie folgt: Nach der Mitteilung in der Einkommensteuererklärung 2008 vom 20. Mai 2010, dass die Eheleute seit Januar 2008 geschieden seien, habe der Beklagte dem Kläger eine neue Steuernummer zugeteilt. Die unter der gemeinsamen Steuernummer der Eheleute festgesetzten und getilgten Vorauszahlungen für das Kalenderjahr 2008 seien dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau je zur Hälfte zugeordnet worden. Die im Einkommensteuerbescheid 2008 enthaltene Anrechnungsverfügung sei über Einkommensteuer in Höhe von 6.222 € und für Solidaritätszuschlag in Höhe von 290,86 € erfolgt und entspreche jeweils 50 % der insgesamt geleisteten Vorauszahlungen.

Die Anrechnung von Einkommensteuervorauszahlungen im Rahmen des Einkommensteuerbescheides betreffe das Erhebungsverfahren. Die Anrechnungsverfügung sei gemäß § 118 Abgabenordnung (AO) ein selbständiger Verwaltungsakt, der durch Leistungsgebot oder durch Erstattungsverfügung Außenwirkung enthalte und der ...

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