Entscheidungsstichwort (Thema)

§ 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG in der für 1992 geltenden Fassung mit dem EG-Vertrag vereinbar?

 

Leitsatz (redaktionell)

Ist § 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG in der in 1992 geltenden Fassung, der die Abzugsfähigkeit von Beiträgen an Versicherungsunternehmen davon abhängig macht, dass die Unternehmen ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland haben oder ihnen die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erteilt ist, mit Art. 39, 43 und 49 EG-Vertrag (Art. 48, 52 und 59 EG-Vertrag in der Fassung vom 7. Februar 1992 - a. F.) vereinbar?

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 2 Nr. 2; EWGVtr Art. 39, 43, 49

 

Tatbestand

I. Sach- und Streitstand

Der Kläger ist dänischer Staatsangehöriger und wohnt mit seiner Ehefrau seit dem 2. Januar 1992 in Deutschland. Der Kläger und seine Ehefrau sind im Pensionsalter. Die Eheleute haben vorher in Dänemark gelebt und haben dort seit Jahren ihre Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung gezahlt. Durch ihren Wohnsitzwechsel nach Deutschland sind die Eheleute unbeschränkt einkommensteuerpflichtig geworden. Im Streitjahr erzielte der Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen und sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) aus mehreren Leibrenten.

1. Sachbehandlung bei dem Kläger: Sonderausgaben

In der Einkommensteuer(ESt)-Erklärung für 1992 machte der Kläger als Sonderausgaben Krankenversicherungsbeiträge geltend. Hierbei handelt es sich um Zahlungen an die International Health Insurance Danmark, Kopenhagen.

2. Auffassung des Beklagten: keine Berücksichtigung der Versicherungsbeiträge als Sonderausgaben

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte in seinem ESt-Bescheid vom 3. Dezember 1993 diese Krankenversicherungsbeiträge nicht als Sonderausgaben und begründete dies damit, dass es sich bei der Dänischen Gesellschaft nicht um ein Unternehmen handele, das die in § 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG genannten Voraussetzungen erfülle. Die Versicherungsgesellschaft habe weder ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland noch sei ihr die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erteilt worden.

II. Rechtsausführungen des Klägers im Einspruchsverfahren

Den gegen diesen Bescheid am 10. Dezember 1993 eingelegten Einspruch begründete der Kläger unter Hinweis auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 28. Januar 1992 Rs. C 204/90.

III. Begründung der Einspruchsentscheidung des Beklagten

Das FA wies den Einspruch mit Entscheidung vom 17. November 1994 als unbegründet zurück. Seine Entscheidung begründete es im Wesentlichen wie folgt:

Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG seien nicht erfüllt. Aus dem Urteil des EuGH vom 28. Januar 1992 folge nichts anderes. Die Ausführungen zu Art. 48 EG-Vertrag a. F. seien nicht einschlägig, da sich diese Vorschrift mit der Freizügigkeit von Arbeitnehmern befasse, der Kläger dieser Gruppe aber nicht angehöre. Ausführungen zu Art. 59 EG-Vertrag a. F. betreffend den freien Dienstleistungsverkehr seien nur allgemein gehalten und enthielten keine abschließende Entscheidung. Ein Bezug der Art. 48 ff. EG-Vertrag a. F. zum Steuerrecht sei nicht erkennbar. Der EG-Vertrag enthalte keinen Auftrag zur Harmonisierung der direkten Steuern der EG-Mitgliedsstaaten. Außerdem sei durch das Steuerbereinigungs- und Missbrauchsbekämpfungsgesetz § 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG zwischenzeitlich dahingehend geändert worden, dass jetzt auch Beiträge an Versicherungsunternehmen, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft haben und das Versicherungsgeschäft im Inland betreiben dürfen, als Sonderausgaben abgezogen werden könnten. Diese Vorschrift sei jedoch nach § 53 Abs. 12 Satz 2 EStG in der Fassung des Steuerbereinigungs- und Missbrauchsbekämpfungsgesetzes erstmals für den Veranlagungszeitraum 1993 anzuwenden. Damit habe der Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des EuGH geregelt, dass für Veranlagungszeiträume vor 1993 § 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG in der alten Fassung anzuwenden sei.

IV. Vorbringen der Beteiligten im Klageverfahren

Am 2. 12. 1994 hat der Kläger Klage erhoben, die er im Wesentlichen wie folgt begründet:

Nachdem die Eheleute durch den Wohnsitzwechsel nach Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig geworden seien, habe er, der Kläger, die Möglichkeit gehabt, seine bestehende Krankenversicherung bei der dänischen Gesellschaft fortzuführen und auf den Sonderausgabenabzug auch bei der deutschen ESt zu verzichten oder aber die dänische Versicherung zu kündigen und seine Krankenversicherung bei einer deutschen Versicherungsgesellschaft neu abzuschließen.

Die erste Alternative bedeute für ihn einen Nachteil bei der ESt von rd. 5.500 DM im Streitjahr. Bei der zweiten Alternative dürften seine finanziellen Nachteile höher sein. Deutsche Krankenversicherungsgesellschaften bestimmten ihre Prämien nach dem Eintrittsalter des Versicherten. Aufgrund seines Lebensalters hätten er und seine Ehefrau daher mit beträchtlichen Prämienerhöhungen im Vergleich zu ihrer bisherigen Versicherung rechnen müssen, ...

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