Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermäßigte Umsatzbesteuerung für Auftragsforschung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG. Berechnung der Finanzierungsgrenze des § 68 Nr. 9 AO aus Nettoeinnahmen (ohne Umsatzsteuer). Zuordnung der von der Tochtergesellschaft vereinnahmten Beteiligungserträge und Mieteinnahmen zur unschädlichen Vermögensverwaltung nach § 68 Nr. 9 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Entscheidend für die Frage der ermäßigten Besteuerung der Umsätze einer gemeinnützigen Einrichtung aus Auftragsforschung gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a S. 1 UStG i. V. m. § 68 Nr. 9 AO ist, ob sie in den einzelnen Veranlagungszeiträumen die Anforderungen einer überwiegenden „unschädlichen” Finanzierung aus Zuwendungen der öffentlichen Hand, Dritten oder der Vermögensverwaltung erfüllt hat oder die „schädlichen” Einnahmen aus der Erbringung umsatzsteuerpflichtiger Leistungen an Dritte die 50 %-Grenze übersteigen (Entgegen der „Drei-Jahre-Betrachtung” des BMF v. 22.9.1999, BStBl I 1999, 944, Tz. III 5, so auch FG Köln v. 22.6.2005 13, K 3420/04).

2. Im Rahmen des § 68 Nr. 9 AO zählen als schädliche Einnahmen nur die entsprechenden Nettozuflüsse, nicht auch die auf sie entfallenden Umsatzsteuern (entgegen FG Köln v. 22.6.2005 13, K 342/04).

3. Zu der unschädliche Vermögensverwaltung gem. § 68 Nr. 9 AO rechnen nicht auch die durch das Institut der Betriebsaufspaltung einkommensteuerlich in gewerbliche Gewinne umzuqualifizierenden Einnahmen einer gemeinnützigen Auftragsforschung betreibenden Besitz-Kapitalgesellschaft aus Beteiligungserträgen und Mieteinnahmen, welche diese von der Betriebs-Tochtergesellschaft erhält. Da § 68 Nr. 9 AO nicht nach der Rechtsform unterscheidet, können auch Kapitalgesellschaften Einnahmen „aus der Vermögensverwaltung” erzielen. Maßgeblich ist, die Art der einzelnen Einnahmequelle nach rein einkommensteuerlicher Sicht, also ohne Berücksichtigung einer etwaigen körperschaftsteuerlichen Umqualifizierung.

4. Die Verneinung der Zweckbetriebseigenschaft nach § 68 Nr. 9 AO hat nur den Verlust der (hier: umsatzsteuerlichen) Steuervergünstigung zur Folge und führt allein nicht zu nachteiligen Folgen im Bereich der Anerkennung der Körperschaft als gemeinnützig.

 

Normenkette

AO § 68 Nr. 9; UStG § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a S. 1; AO §§ 14, 52 Abs. 2 Nr. 1; KStG § 8 Abs. 2; EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; FGO § 99 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.05.2017; Aktenzeichen V R 43/14)

BFH (Urteil vom 10.05.2017; Aktenzeichen V R 7/15)

 

Tenor

1. Im Rahmen des § 68 Nr. 9 AO zählen als schädliche Einnahmen nur die entsprechenden Nettozuflüsse, nicht auch die auf sie entfallenden Umsatzsteuer.

2. Zu der im Rahmen des § 68 Nr. 9 AO unschädlichen Vermögensverwaltung zählen nicht auch die Einnahmen (Beteiligungserträge und Mieteinnahmen), die die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die A, in den Streitjahren 2002 bis 2004 von ihrer Tochtergesellschaft, der B, erhalten hat.

3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Besteuerung ihrer Einnahmen aus Auftragsforschung mit dem Regelsteuersatz und begehrt die Anerkennung weiterer Vorsteuer.

Die Klägerin ist eine gemeinnützige GmbH, die mit Vertrag vom gegründet wurde. Sie ist durch Verschmelzung mit der A. GmbH (A) deren Rechtsnachfolgerin geworden (Alleingesellschafter dieser A. war der C e. V. ([C]). Beide Gesellschaften waren bzw. sind als Steuerbegünstigte nach § 52 Abs. 2 Nr. 1 AO anerkannt.

Schon zu Beginn des Jahres 2002 und noch bis zum 08.04.2004 hielt die Rechtsvorgängerin der Klägerin 100 % der Geschäftsanteile an der B GmbH (B), die ihrerseits jeweils 100 % der Geschäftsanteile an der D GmbH (D) und der E GmbH (E) hielt.

Nach Betriebsprüfung bei der Klägerin änderte der Beklagte durch die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide vom … 2012 die früheren, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre und unterwarf darin die Einnahmen der Rechtsvorgängerin der Klägerin aus Auftragsforschung dem Regelsteuersatz.

Die hiergegen von der Klägerin am … 2012 eingelegten Einsprüche wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom … 2013 als unbegründet zurück. Er führte aus, die in Rede stehenden Einnahmen der Rechtsvorgängerin der Klägerin unterlägen nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG, da es sich nicht um Einnahmen im Rahmen des steuerbegünstigten Zweckbetriebs, sondern im Rahmen des voll steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs gehandelt habe. Grund hierfür sei die Überschreitung der Finanzierungsgrenze nach § 68 Nr. 9 Satz 1 AO bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin. Nach dieser Bestimmung seien nur diejenigen Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen Zweckbetriebe, deren Träger sich überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung finanzieren.

Dies sei bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht der Fall gewesen, da die Anteile aus ihrem wirts...

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