Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Erstattungsanspruch gem. § 37 Abs. 2 AO nach Aufhebung eines mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbarenden DDR-Körperschaftsteuerbescheids nach dem Einigungsvertrag. Keine Einschränkung der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 7 VermG für aufgehobene Steuerbescheide durch § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach Aufhebung eines mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbarenden Körperschaftsteuerbescheids der DDR-Behörden aus dem Jahr 1964 in 1998 nach Art. 19 Satz 2 Einigungsvertrag besteht kein Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht vereinnahmten Steuer gem. § 37 Abs. 2 AO. Der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 7 VermG auf den aufgehobenen Steuerbescheid steht die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG nicht entgegen.

 

Normenkette

AO § 37 Abs. 2; Einigungsvertrag Art. 19 S. 2; VermG § 1 Abs. 7; VwRehaG § 1 Abs. 1 S. 2; AO § 218 Abs. 2, § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 17.02.2010; Aktenzeichen VII R 41/08)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte der Klägerin aufgrund eines aufgehobenen DDR-Steuerverwaltungsaktes Leistungen nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zu erstatten hat.

Die Klägerin wurde 1906 auf genossenschaftlicher Grundlage gegründet. Unternehmensgegenstand war der verbilligte Großeinkauf für die angeschlossenen Bäckermeister. Aufgrund der kriegsbedingten Zerstörung der Betriebsanlagen ruhte der Betrieb der Klägerin seit 1945; bis zum Jahr 1964 fand lediglich eine Vermögensverwaltung statt. Eine Löschung aus dem Genossenschaftsregister wurde aufgrund einer fehlenden Regelung zur Auflösung eines Wertausgleichspostens in den Jahren 1945 bis 1963 nicht durchgeführt. In Übereinstimmung mit der Handwerkskammer des Bezirkes D und der Abteilung ÖVW erfolgte im Jahr 1964 die Liquidation der Klägerin unter Ausschluss des Konkursweges mit anschließender Löschung im Genossenschaftsregister wegen Vermögenslosigkeit zum 31.12.1965. Im Rahmen der Auflösung entstand bei der Klägerin durch einen unterstellten Verzicht der ehemaligen Mitglieder auf deren Einlagerückzahlung in Höhe von 143.704,– MDN ein Buchgewinn, der eine mit Bescheid vom 17. August 1965 festgesetzte Steuernachzahlung sowie SV-Beiträge für das Jahr 1964 von 105.787,– MDN auslöste. Nach Verwertung der Aktivwerte (Pfändung und Überweisung einer Schuldbuchforderung i.H.v. 31.634 MDN sowie eines Sparbuchs mit einem Guthaben i.H.v. 15.528 MDN, Überweisung von 8.633,90 MDN) wurde der Restbetrag der Steuerschuld erlassen.

Mit Schreiben vom 10.07.1996 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Aufhebung des Steuerbescheides vom 17.08.1965 und die Rückzahlung unrechtmäßig erhobener Körperschaftsteuer und SV-Beiträge i.H.v. 55.795,90 MDN nebst 6 v.H. Zinsen p.a. und Zinseszinsen bis zum 09.08.1996. Mit Bescheid vom 19.01.1998 hob der Beklagte den Steuerbescheid vom 17.08.1965 mit der Begründung auf, dass dieser gemäß Art. 19 Satz 2 Einigungsvertrag i.V.m. § 172 Abs. 1 Nr. 2 d der Abgabenordnung (AO) nicht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar sei. Die Rückzahlung der Körperschaftsteuer und SV-Beiträge einschließlich der Zinsen lehnte er jedoch ab, da die Vorschrift des Art. 19 Satz 2 Einigungsvertrag keine Regelung enthalte, wie nach der Aufhebung eines Verwaltungsaktes zu verfahren sei und bei der Rückgabe von Vermögenswerten das Vermögens- oder Entschädigungsgesetz (§ 1 Abs. 7 des VermögensgesetzesVermG –; § 7 Abs. 1 des Verwaltungsrehabilitationsgesetzes – VwRehaG –) Anwendung finde. Der gegen den Bescheid vom 19.01.1998 eingelegte Einspruch, mit dem die Klägerin auch weiterhin die Erstattung der Steuern und SV-Beiträge nebst Zinsen nach § 37 Abs. 2 AO begehrte, wurde mit Entscheidung des Beklagten vom 08.04.1998 als unbegründet zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Der 7. Senat des Finanzgerichts vertrat die Auffassung, dass Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus Steuerbescheiden betreffen, durch einen Abrechnungsbescheid zu verbescheiden seien. Ein Abrechnungsbescheid sei jedoch weder von der Klägerin beantragt noch vom Beklagten erteilt worden. Auch sei der Beklagte nicht verpflichtet gewesen, den Antrag der Klägerin in einen solchen auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides umzudeuten; eine Umdeutung komme bei Angehörigen der steuerberatenden Berufe nicht in Betracht. Im Übrigen bestehe auch kein Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 37 Abs. 2 AO, da sich die Rückgabe nach dem Vermögensgesetz richte.

Am 29.10.2003 beantragte die Klägerin beim Beklagten einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO. Dieser wurde am 18.04.2005 erlassen. Die aus der Aufhebung des Steuerbescheides vom 17.08.1965 zu erstattenden Steuern und Nebenleistungen wurden mit 0 EUR festgesetzt. Der hiergegen am 19.05.2005 eingelegte Einspruch wurde mit Entscheidung des Beklagten vom 07.10.2005 als ...

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