rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlunfähigkeit für eine Stundungsbedürftigkeit nicht erforderlich. Ablehnung eines Stundungsantrags wegen der Nichtvorlage nicht verlangter Nachweise. Gefährdung des Steueranspruchs bei der teilweisen Nichtzahlung von Raten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zahlungsschwierigkeiten und damit eine erhebliche Härte für den Schuldner i. S. d. § 222 S. 1 AO entstehen nicht erst, wenn keine oder nicht ausreichend liquide Mittel vorhanden und alle Kreditlinien ausgeschöpft sind, mithin Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Erhebliche Zahlungsschwierigkeit hat ein Steuerpflichtiger auch dann, wenn er zwar die gesamten fälligen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis bedienen kann, sich dadurch aber außerstande setzt, die kurz- und mittelfristig fällig werdenden Aufwendungen für die Fortführung seines Berufes oder Betriebes oder die für die private Lebensführung notwendigen Aufwendungen zu tätigen.

2. Zieht sich ein Stundungs- mit Rechtsbehelfsverfahren über mehr als acht Monat hin, während derer ständige Kommunikation zwischen dem FA und dem Steuerpflichtigen besteht, können nicht mit der abschließenden Verwaltungsentscheidung mangelnde Angaben und Nachweise, die zuvor nie verlangt wurden, als Ablehnungsgründe angeführt werden.

3. Führt das FA zur Ablehnung eines Stundungsantrags eine Gefährdung des Steueranspruchs an, da der Steuerpflichtige zwei avisierten Raten nicht entrichtet hat, erscheint dies unabgewogen, wenn den beiden nicht gezahlten Raten im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung fünf im Wesentlichen pünktlich gezahlte Raten gegenüber stehen, so dass eher das Gegenteil anzunehmen ist.

 

Normenkette

AO § 222 S. 1, § 5; FGO § 102

 

Tenor

Der Verwaltungsakt vom 29. Mai 2012 über die Ablehnung des Antrags auf Stundung der Einkommensteuer 2009 und der Einkommensteuervorauszahlung 4. Quartal 2011, der Verwaltungsakt vom 07. August 2012 über die Ablehnung des Antrags auf Anschlussstundung bzgl. der Einkommensteuer 2010 und der Verwaltungsakt vom 27. September 2012 über die Ablehnung des Antrags auf Stundung vom 06. August 2012, jeweils in Gestalt der zusammengefassten Einspruchsentscheidung vom 30. November 2012 werden aufgehoben und der Beklagten verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 v.H. abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Stundung von Einkommensteuer und einer Einkommensteuervorauszahlung sowie von Solidaritätszuschlägen, Zinsen und Verspätungszuschlägen hierzu.

Der Kläger erzielte Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Ingenieur für technische Gebäudeausrüstung. Mit Einkommensteuerbescheid 2009 vom 22.02.2012, geändert durch Bescheid vom 20.04.2012 wurde er gemäß seiner Einkommensteuererklärung 2009 vom 02.08.2011 veranlagt und eine nachträgliche Einkommensteuer-Vorauszahlung für das IV. Quartal 2011 sowie Zinsen und ein Verspätungszuschlag festgesetzt. Der zum 27.03.2012 fällige Gesamtbetrag lautete auf 24.534,14 Euro.

Am 27.03.2012 beantragte der Kläger die Stundung dieses Betrages gegen Ratenzahlungen in Höhe von jeweils 5.000 Euro zum 27. der Monate März bis Mai 2012, in Höhe von 1.000 Euro zum 27.06.2012, wegen der am 10.06.2012 zu zahlenden Einkommensteuer-Vorauszahlung für das II. Quartal 2012, in Höhe von weiteren 5.000 Euro zum 27.07.2012 und in Höhe des Restbetrages von 3.531,14 Euro zum 27.08.2012. Es lägen sachliche Stundungsgründe vor, weil eine größere Abschlusszahlung für 2009 mit der nachträglichen Festsetzung der Einkommensteuer-Vorauszahlung für 2011 in ähnlicher Höhe zusammenfalle und er sich hierauf nicht rechtzeitig habe einstellen können. Er habe im März 2011 aus nicht vorhersehbaren Gründen seine Bürogemeinschaft aufgeben und umziehen müssen, was nicht eingeplante Kosten in Höhe von 4.000 Euro verursacht habe. Zudem hätten Mietnomaden in einer vermieteten Eigentumswohnung in L. Mietausfälle und Instandsetzungsaufwendungen von rund 2.000 Euro verursacht. Schlussendlich sei er Ende 2000 plötzlich erkrankt und habe stationär behandelt werden müssen. Er habe deshalb Verpflichtungen gegenüber seinen Auftraggebern nicht nachkommen können, was einen finanziellen Verlust in Höhe von rund 4.000 Euro verursacht habe. Aufgrund dieser Umstände und bei Berücksichtigung seiner derzeitigen Auftragslage reichten seine vorhandenen Geldmittel nicht aus, um sowohl rund 25.000 Euro an die Finanzverwaltung zu zahlen und zugleich seine monatlich anfallenden Betriebs- und Privatausgaben in Höhe von ca. 8.000 Euro zu decken. Eine Kreditaufnahme sei ihm nicht möglich. Aus den genannten Gründen lägen auch persönliche Stundungsgründe vor. Bei Zahlung der fälligen Steuern und steuerlichen Nebenleistungen fehlten ihm die Mittel für ein menschenwürdiges Dasein und...

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