rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Neuer, den beantragten Erlass von Steuer- und Haftungsschulden erneut ablehnender Bescheid während des finanzgerichtlichen Verfahrens trotz § 102 Satz 2 FGO Verfahrensgegenstand des Klageverfahrens. sachliche Unbilligkeit wegen unrichtiger gerichtlicher bzw. behördlicher Hinweise. kein Erlass wegen persönlicher Unbilligkeit ohne vorherigen Versuch der Veräußerung von nicht eigengenutzten Immobilien: umfangreiche Forderungsverzichte anderer Gläubiger begründen für sich genommen noch keine Erlassbedürftigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird eine Ermessenentscheidung wie der den beantragten Erlass von Haftungs- und Steuerschulden ablehnende Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung während des Klageverfahrens zurückgenommen und durch einen neuen Bescheid ersetzt, weil eine Auseinandersetzung mit einem bestimmten Vorbringen des Klägers bislang fehlte, so schließt es § 102 Satz 2 FGO nicht aus, dass der „neue” Bescheid nach § 68 FGO Gegenstand des Verpflichtungsklageverfahrens wird (gegen Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil v. 6.3.2008, 11 K 300/01, EFG 2008 S. 1051). Das gilt selbst dann, wenn die neuerliche Ermessensausübung unter Berücksichtigung von zuvor nicht einbezogenen Gesichtspunkten nicht zu dem vom Kläger gewünschten Ergebnis führt und das Finanzamt den Erlassantrag nach wie vor nicht für begründet hält.

2. Ein Steuererlass infolge sachlicher Unbilligkeit kommt in Betracht, wenn das Finanzamt oder das Finanzgericht den Steuerpflichtigen durch offensichtlich und eindeutig unrichtige Hinweise von der Weiterverfolgung gegebener Rechtsbehelfe abgehalten haben.

3. Eine Steuererlass aus persönlichen Billigkeitsgründen kommt nicht in Betracht, wenn die Kläger bislang nicht einmal im Ansatz eine Verwertung ihres nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzten umfangreichen Immobilienbesitzes zur Tilgung der Steuerschulden unternommen haben. In diesem Zusammenhang können sich die Kläger nicht auf die BFH-Rechtsprechung (BFH, Urteil v. 27.02.1991, XI R 23/88, BFH/NV 1991 S. 430) berufen, wonach alten, nicht mehr erwerbsfähigen Steuerpflichtigen wenigstens soviel von ihrem Vermögen belassen werden muss, dass sie damit für den Rest ihres Lebens eine bescheidene Lebensführung bestreiten können, wenn die Kläger erst in einigen Jahren das Rentenalter erreichen und zudem neben Rentenansprüchen von ca. 700 Euro monatlich auch über eigengenutztes Immobilienvermögen verfügen.

4. Umfangreiche Forderungsverzichte anderer Gläubiger für sich genommen begründen keine Erlassbedürftigkeit. Das Verzichtsverhalten anderer Gläubiger ist nur insoweit von Bedeutung, als für den Fall des Vorliegens eine Existenzgefährdung der Steuererlass dem Steuerpflichtigen und nicht anderen Gläubigern zu Gute kommen muss. Liegt indessen schon keine drohende Existenzvernichtung vor, ist das Verzichtsverhalten anderer Gläubiger für den Steuererlass ohne Bedeutung. Von daher kann dahinstehen, ob die von den Klägern vorgelegten Vergleichsangebote vollzogen wurden bzw. werden

 

Normenkette

FGO § 68 S. 1, § 102 Sätze 1-2; AO §§ 5, 132 S. 1, § 130 Abs. 1, § 227

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist der Erlass von Umsatzsteuer 1995 bis 1998 des Klägers, von Umsatzsteuer 1998 und 1999 der Grundstücksgemeinschaft P. und von Haftungsschulden der Kläger für Umsatzsteuer 1998 und 1999 samt Säumniszuschlägen und Zinsen der Grundstücksgemeinschaft P. und von steuerlichen Nebenleistungen zu diesen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis.

Am 09.10.2006 beantragten die Kläger den Erlass der v.g. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Begründend führten sie aus, dass nach der Insolvenz zweier GmbHs alle ihnen zur Verfügung stehenden Geldmittel aus Immobilienverkäufen, Auflösungen von Lebensversicherungen und Barguthaben zur Tilgung von Verbindlichkeiten in Höhe von bislang mehr als einer Million Euro eingesetzt worden seien. Dabei seien auch die Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt berücksichtigt worden. Die Steuerschulden seien letztlich nur durch die Nichtanerkennung einer praktizierten Ist-Versteuerung und durch prozessuale Schwierigkeiten entstanden. Nach der Insolvenz der GmbHs hätten sie begonnen, für ihren Lebensunterhalt durch die Beratung von Bauherren bei der Sanierung von Herrenhäusern und kleinen Schlössern in den neuen Bundesländern zu sorgen. Die Gewinne aus dieser Tätigkeit hätten sich seit 2003 ständig gesteigert und 2006 ca. 40.000 EUR betragen. Darüber hinaus hätten sie das von ihnen selbst bewohnte Schloss T. seit 2003 als Hotel betrieben, woraus in 2006 allerdings voraussichtlich kein Überschuss erzielt worden sei. Ferner habe der Kläger zukünftig Einkünfte als Geschäftsführer des Forsthauses D., eines Hotels in B.. Die antragsgegenständlichen Steuerbelastungen seien unvorbereitet auf die Kläger zugekommen, da sie davon ausgegangen seien, dass sich über alle Steuerarten hinweg ein Ausgleich der Steuerverbindlichkeiten mit den Steuererstat...

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