Rz. 62

Hinsichtlich der Rechtfertigung bzw. der Auswahl des Belastungsgrundes für die Grundsteuer wird in Fachkreisen seit Jahren nahezu dogmatisch über die Maßgeblichkeit des Leistungsfähigkeits- oder des Äquivalenzprinzips gestritten. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum für die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage attestiert. Die Bemessungsgrundlage und die Bewertungsregeln müssen allerdings geeignet sein, den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen und dabei die Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitätsgerecht abzubilden (vgl. Rz. 2).

Die Flächenmodelle stützen ihre Belastungsgrundentscheidung für die sog. Grundsteuer B (Grundstücke als wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens) in Abkehr vom Leistungsfähigkeitsprinzip auf das Äquivalenzprinzip.

Die Heranziehung des Äquivalenzprinzips als Belastungsgrund für die Grundsteuer wurde von den Entwicklern des Flächenmodells zunächst im Sinne einer Kostenäquivalenz mit der Anknüpfung an die über Gebühren und Beiträgen hinausgehenden Kosten der Kommunen für die kommunale Daseinsvorsorge begründet.[1]

Nach neueren Begründungen liegt die Belastungsgrundentscheidung im Sinne einer Nutzenäquivalenz insbesondere in der Schaffung eines Ausgleichs dafür, Nutzen aus kommunal bereitgestellter Infrastruktur ziehen zu können (z. B. kommunale Straßen, allgemeine Straßenreinigung, kulturelle Angebote, öffentliche Parks und Spielplätze), die nicht bereits individuell zugeordnet und damit durch Gebühren oder Beiträge abgegolten werden können.[2]

Leitgedanke ist nicht die Individualäquivalenz, sondern eine Gruppenäquivalenz, bei der die Steuer eine Gegenleistung für die Leistungen der Gemeinden darstellt, die nicht über Gebühren oder Beiträge einer konkreten Person zugeordnet werden können oder bei denen eine Zuordnung auf bestimmte Personen nicht möglich oder nicht gewünscht ist.[3]

 

Rz. 63

Zumindest in Teilen der Fachöffentlichkeit wird hiergegen eingewandt, dass die Grundsteuer als Flächensteuer durch das Äquivalenzprinzip weder im Sinne einer Kosten- noch einer Nutzenäquivalenz gerechtfertigt werden kann.[4]

Die Kostenäquivalenz versagt, da Steuern – als Geldleistungen ohne Gegenleistung für eine bestimmte Leistung – grundsätzlich nicht geeignet sind, die Kosten öffentlich bereitgestellter Leistungen abzubilden.[5] Das Äquivalenzprinzip ist für die sog. Vorzugslasten (Gebühren und Beiträge) einschlägig, dem Steuerrecht ist es hingegen fremd.[6]

In Bezug auf die Nutzenäquivalenz ist festzustellen, dass ein flächenbezogener Maßstab keinen nachweisbaren sachlichen Zusammenhang zu dem durch das jeweilige Grundstück vermittelten Nutzen aus kommunal bereitgestellter Infrastruktur herstellen kann.[7] Ein rationaler Zusammenhang zwischen der Grundstücks- und Gebäudefläche einerseits und der möglichen Inanspruchnahme gemeindlicher Leistungen anderseits lässt sich nicht begründen.[8] Insbesondere lageunabhängig sagen die Grundstücks- und Gebäudeflächen nichts über die potenzielle Teilhabemöglichkeit an der öffentlichen Infrastruktur aus.[9] So vermitteln z. B. kleinere Grundstücke in der Innenstadt tendenziell mehr Infrastrukturnutzen als größere Grundstücke am Stadtrand. Letztere werden durch die Flächenmodelle – im Widerspruch zur Belastungsgrundentscheidung gleichwohl – allein wegen der größeren Fläche – höher belastet.[10]

Die Fläche ist mithin kein relations- und realitätsgerechter Indikator für die Möglichkeit der Inanspruchnahme kommunaler Infrastruktur.

 

Rz. 64

Darüber hinaus wird mit den landeseinheitlichen Äquivalenzzahlen die bei einer nutzenorientierten Bemessungsgrundlage gebotene realitätsgerechte Nutzenrelation nicht folgerichtig umgesetzt. Die sog. Äquivalenzzahlen wurden weder aus den örtlichen Kosten der Kommune für die Daseinsvorsorge abgeleitet, noch wird mit ihnen die Möglichkeit der Inanspruchnahme von kommunalen Leistungen konkret bemessen. Sie erscheinen insoweit willkürlich gewählt und als politisch gesetzt.[11]

Die durch das Grundstück vermittelte Nutzungsmöglichkeit kommunaler Güter lässt sich nicht konkret bemessen. Die grundstücksbezogenen kommunalen Leistungen werden am Markt nicht gesondert gehandelt. Den Flächenmodellen fehlt somit sowohl ein konkretes Bemessungsziel als auch ein konkreter Vergleichsmaßstab mit dem das gefundene Berechnungsergebnis auf seine Richtigkeit hin überprüft werden kann.[12]

Die Äquivalenzzahlen sollen demzufolge reine Rechengrößen zur Bestimmung der relativen Lastenverteilung zwischen den Flächen des Grund und Bodens und den Gebäudeflächen sein.[13] Es fehlt jedoch jegliche Begründung dafür, weshalb die vorgegebene Lastenverteilung zwischen den Flächen des Grund und Bodens sowie den Gebäudeflächen im Verhältnis 1:12,5 (Äquivalenzzahl für die Flächen des Grund und Bodens grundsätzlich 0,04 EUR/m² sowie Äquivalenzzahl für die Gebäudeflächen 0,50 EUR/m²) i. S. d. Nutzenäquivalenz relations- und realitätsgerecht sein soll.[14]

Zudem ist nicht nachvollziehbar, dass die vorgenannten Äquivalenzzahlen...

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