Hinzuziehung und Beiladung: Voraussetzung für die Folgeänderung beim Dritten ist, dass er am Ausgangsänderungsverfahren dergestalt beteiligt ist, dass er in der Lage ist, sich im Ausgangsverfahren rechtliches Gehör zu verschaffen und auf das Verfahren Einfluss zu nehmen (AEAO zu § 174, Nr. 8.6). Die Hinzuziehung oder Beiladung des Dritten zu dem Ausgangsänderungsverfahren ist zulässig. § 174 Abs. 5 S. 2 AO enthält eine eigenständige Regelung der Hinzuziehung oder der Beiladung (BFH v. 22.9.2016 – X B 42/16, BFH/NV 2017, 146), die Voraussetzungen des § 360 AO oder des § 60 FGO müssen nicht erfüllt sein (BFH v. 29.5.2018 – VII B 112/17, BFH/NV 2018, 972; AEAO zu § 174, Nr. 8.4 S. 3; Bartone in Kühn/von Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 174 AO Rz. 82). Die Hinzuziehung erfolgt durch das für das Ausgangsänderungsverfahren zuständige FA. Durch seine Hinzuziehung oder Beiladung ist der Dritte Verfahrensbeteiligter i.S.d. § 359 Nr. 2, § 360 Abs. 1 und 4 AO bzw. § 57 Nr. 3 FGO; er hat die Stellung eines notwendig Hinzugezogenen bzw. notwendig Beigeladenen (BFH v. 11.4.1991 – V R 40/86, BStBl. II 1991, 605; v. 24.11.2010 – II B 48/10, BFH/NV 2011, 408; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 174 AO Rz. 321 [Febr. 2019]). Da die Ausgangsänderung auch auf Grund eines Aufhebungs- oder Änderungsantrags des Steuerpflichtigen z.B. nach § 164 Abs. 2 AO oder § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO erfolgen kann, ist die Hinzuziehung auch im Verfahren über einen Antrag auf Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids des Steuerpflichtigen zulässig (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 174 AO Rz. 54 [Okt. 2020]; Bartone in Kühn/von Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 174 AO Rz. 85; AO-Kartei NRW, § 174 Karte 801, Rz. 1.3). Die Beiladung im Finanzgerichtsprozess setzt nicht voraus, dass der Beizuladende bereits zum Einspruchsverfahren hinzugezogen war (BFH v. 5.5.1993 – X R 111/91, BStBl. II 1993, 817; v. 25.3.2014 – XI B 127/13, BFH/NV 2014, 1012; von Groll Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 174 AO Rz. 310 [Febr. 2019]; Bartone in Kühn/von Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 174 AO Rz. 83). Die Beiladung kann aber nicht erstmals im Revisionsverfahren erfolgen.

Voraussetzungen für die Hinzuziehung oder Beiladung: Für die Hinzuziehung oder Beiladung reicht es aus, wenn die bloße Möglichkeit besteht, dass auf Grund Rechtsbehelfs oder Antrags des Steuerpflichtigen ein Steuerbescheid wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts zugunsten des Steuerpflichtigen aufzuheben oder zu ändern ist und dass hieraus Folgen für einen Dritten durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids gegen den Dritten zu ziehen sind (AEAO zu § 174, Nr. 8.4 S. 4 m.w.N.). Es muss in diesem Stadium des Verfahrens nicht feststehen, dass der Dritte in Anspruch genommen werden kann. Denn mit der Entscheidung über die Beteiligung des Dritten darf dem Folgeverfahren nicht vorgriffen werden (von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 174 AO Rz. 320 [Febr. 2019]). Der Dritte muss vor Ablauf der Festsetzungsfrist seiner Steuerfestsetzung hinzugezogen oder beigeladen werden. Im finanzgerichtlichen Verfahren muss die Beiladung durch das FA veranlasst oder beantragt werden (u.a. Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 174 AO Rz. 55 [Okt. 2020] m.w.N.; a.A. von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 174 AO Rz. 320 [Febr. 2019]). Eine Hinzuziehung oder Beiladung des Dritten ist nicht erforderlich, wenn er Verfahrensbeteiligter i.S.d. § 359 AO oder § 57 FGO war oder durch eigene verfahrensrechtliche Initiativen auf die Änderung oder Aufhebung des Steuerbescheids hingewirkt hat (BFH v. 8.2.1995 – I R 127/93, BStBl. II 1995, 764; v. 12.2.2015 – V R 28/14, BStBl. II 2017, 10 = AO-StB 2015, 194; AEAO zu § 174, Nr. 8.7 S. 1).

Vor der Hinzuziehung oder der Beiladung ist der Steuerpflichtige, der das Ausgangsänderungsverfahren betreibt, zu hören, da durch die Hinzuziehung oder Beiladung dem Dritten steuerliche Verhältnisse des Steuerpflichtigen offenbart werden müssen (§ 360 Abs. 1 S. 2 AO bzw. § 60 Abs. 1 S. 3 FGO; AO-Kartei NRW, § 174 Karte 801, Rz. 2.1 S. 2 m.w.N.). Die Offenbarung ist allerdings auch ohne Zustimmung zulässig, weil sie sich aus § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO ergibt (BFH v. 20.4.1989 – V B 153/88, BStBl. II 1989, 539).

Folgen der Hinzuziehung oder der Beiladung: Durch die Hinzuziehung oder Beiladung hat der Dritte im Ausgangsänderungsverfahren alle Rechte und Pflichten eines Beteiligten i.S.d. § 359 AO bzw. § 57 FGO. Für das Einspruchsverfahren bestimmt § 360 Abs. 4 AO, dass der Hinzugezogene dieselben Rechte geltend machen kann wie derjenige, der den Einspruch eingelegt hat. Für den Beigeladenen wird auf § 60 Abs. 6 FGO verwiesen. Dem Dritten ist rechtliches Gehör zu gewähren, damit er auf das Verfahren Einfluss nehmen kann; anderenfalls ist der Eintritt der materiellen Bindungswirkung zu seinen Lasten nicht gerechtfertigt (BFH v. 29.4.2009 – X R 16/06, BStBl. II 2009, 732 = AO-StB 2009, 262 m.w.N.). Dazu ist ihm der einschlägige Schriftwechsel des Steuerp...

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