Leitsatz

1. Hat ein Unternehmer Rechnungen mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer ausgestellt und Dritten übergeben, obwohl er die darin bezeichneten Leistungen nicht ausgeführt hat, und haben die Rechnungsempfänger die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuerbeträge abgezogen, so schuldet der Aussteller die ausgewiesene Steuer nach § 14 Abs. 3 UStG, auch wenn er seine angeblichen Leistungen umsatzversteuert hat.

Da aber in diesem Fall keine Gefährdung des Steueraufkommens besteht, wenn der Vorsteuerabzug bei den Rechnungsempfängern berichtigt wurde, verlangt der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, dass die unberechtigt in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer unabhängig von einem guten Glauben des Rechnungsausstellers berichtigt werden kann (Anschluss an EuGH-Urteil vom 19.9.2000, Rs. C-454/98, Schmeink & Cofreth und Manfred Strobel, UR 2000, 470).

2. Beantragt der Unternehmer beim FA, ihm diese entrichtete Umsatzsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen gem. § 227 AO 1977 zu erstatten, kann sein Antrag nur Erfolg haben, soweit der den Rechnungsempfängern gewährte Vorsteuerabzug rückabgewickelt worden ist.

 

Normenkette

§ 227 AO , § 14 Abs. 3 UStG , Art. 21 Nr. 1 Buchst. c 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Der Kläger betrieb einen Handel mit Büromaschinen. Zur Verschleierung von Verlusten in seinen Filialen und zur Vortäuschung einer besseren Ertragslage stellte er verschiedenen Leasingunternehmern Rechnungen über nicht ausgeführte Lieferungen aus. Die Leasingunternehmen beglichen die Rechnungen und zogen die darin ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuerbeträge ab. Der Kläger unterwarf die Entgelte der Umsatzsteuer und zahlte den Leasingunternehmern in Raten den jeweiligen "Kaufpreis" zurück.

Nach einer Selbstanzeige durch den Kläger setzte das Finanzamt die in den Rechnungen gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer gem. § 14 Abs. 3 UStG fest. Im Rahmen der Selbstanzeige wurden dem Finanzamt sämtliche Rechnungen und Rechnungsempfänger bekannt.

 

Entscheidung

n Umsetzung der Vorgaben des EuGH-Urteils vom 19.9.2000 (Rs. C-454/98, Schmeink & Cofreth und Manfred Strobel) hat der BFH einen Erlass der zutreffend nach § 14 Abs. 3 UStG festgesetzten Umsatzsteuer gem. § 227 AO unabhängig von einem guten Glauben und ohne Ermessen durch die Finanzbehörde anerkannt. Erforderlich sei alleine, dass keine Gefährdung des Steueraufkommens bestehe, was allerdings die Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Rechnungsempfänger erforderlich mache. Nur soweit der den Leasingunternehmen gewährte Vorsteuerabzug rückgängig gemacht worden sei, hätte der Kläger einen Anspruch auf entsprechenden Steuererlass.

 

Hinweis

Seit dem richtungsweisenden Urteil des EuGH in Sachen Schmeink & Cofreth und Manfred Strobel (Urteil vom 19.9.2000, Rs. C-454/98) gelten im Hinblick auf § 14 Abs. 3 UStG und einer Berichtigungsmöglichkeit folgende Grundsätze: den Mitgliedstaaten steht es frei, ob die grundsätzlich berichtigungsfähige Rechnung im Steuerfestsetzungs- oder in einem anschließenden Billigkeitsverfahren vorgenommen wird.

Ein guter Glaube ist nicht erforderlich, wenn der Aussteller der Rechnung die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt hat. Hiervon ist dann auszugehen, wenn der Aussteller der Rechnung diese vor ihrer Verwendung durch den Adressaten wieder erlangt oder der vom Rechnungsempfänger geltend gemachte Vorsteuerabzug wieder rückgängig gemacht worden ist. In diesen Fällen steht der Verwaltung kein Ermessen zu.

Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das weitere Urteil des BFH vom 22.2.2001 (V R 5/99, BFH-PR 2001, 228), wonach der Rechnungsaussteller in den Fällen des § 14 Abs. 3 UStG analog § 17 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG die Berichtigung bereits im Steuerfestsetzungsverfahren vornehmen darf, wenn die Gefährdungslage bereits in dem Veranlagungszeitraum beseitigt worden ist, in dem die Ausgabe der Rechnung stattgefunden hat.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 8.3.2001, V R 61/97

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