Leitsatz

Wird ein Kaufpreis nicht bei Übereignung des Wirtschaftsguts gezahlt, sondern erst einige Jahre später, vereinbaren wirtschaftlich denkende Vertragspartner entweder eine laufende Verzinsung oder einen – durch Aufzinsen ermittelten – höheren Kaufpreis . Nach der Rechtsprechung des BFH ist in derartigen Fällen aus dem einheitlichen Kaufpreis ein Zinsanteil herauszurechnen, und zwar auch dann, wenn die Vertragspartner ausdrücklich Zinslosigkeit vereinbart haben. Das gleiche gilt für längerfristig gestundete Erbausgleichszahlungen, selbst wenn der Erblasser testamentarisch eine Verzinslichkeit ausdrücklich ausgeschlossen hat. Ein neues Urteil überträgt diesen Rechtsgedanken jetzt auf dem Bereich von Enteignungsentschädigungen ( → Entschädigungen ).

Der Kläger hielt in seinem Betriebsvermögen, einem Natursteinbetrieb, ein Grundstück mit einem Basaltvorkommen. Der zuständige Landkreis nahm dieses Grundstück zum Zweck des Straßenbaus in Anspruch. 1972 stimmte der Kläger einer vorzeitigen Besitzeinweisung zu. Der Enteignungsbeschluß erging Anfang 1980. Der nachfolgende Rechtsstreit über die Höhe der Entschädigung endete 1987 mit einem Vergleich. Darin wurde u. a. festgehalten, die vereinbarte Gesamtentschädigung enthalte keinen Zinsanteil. Der Kläger wollte seinen gesamten rechnerischen Gewinn (Entschädigung abzüglich Buchwert des Grundstücks) in eine Rücklage für Ersatzbeschaffung einstellen, um sie auf Ersatzgrundstücke zu übertragen ( → Rücklagen ).

Der BFH bestätigt die Auffassung des Finanzamts, daß eine Entlassungsentschädigung, die erst längere Zeit nach der Besitzeinweisung gezahlt wird, einen Zinsanteil enthält. Nur in Ausnahmefällen könne etwas anderes gelten. Ob ein solcher Ausnahmefall vorlag, hatte das FG noch zu ermitteln. Eine günstigere steuerliche Behandlung des Klägers hielt der BFH insofern für geboten, als ein eventueller Zinsanteil nur dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften sehen vor, daß Enteignungsentschädigungen ab dem Zeitpunkt der Besitzeinweisung zu verzinsen sind. Diese Zinsen sind als Entgelt dafür gedacht, daß der Entschädigungsbetrag dem Enteigneten nicht sofort zur Verfügung steht. Diese Zinsen müssen sogar gezahlt werden, wenn die Entschädigung wegen der inzwischen eingetretenen Wertsteigerung des Grundstücks höher festgesetzt wird. Steuerlich können deshalb diese Zinsen nicht wie die aufgedeckten stillen Reserven auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden. Der Steuerzahler muß sie vielmehr als laufende Betriebseinnahmen – im privaten Bereich als Einnahmen aus Kapitalvermögen – versteuern.

Wird im Rahmen eines Vergleichs nur eine einheitliche Entschädigung festgelegt, müssen daraus wie bei einem „zinslosen”, aber langfristig gestundeten Kaufpreis rechnerische Zinsen herausgerechnet werden. Im Regelfall ist davon auszugehen, daß die vereinbarte Gesamtentschädigung auch den gesetzlich entstandenen Zinsanspruch abgelten soll. Falls die Beteiligten etwas anderes vereinbaren, bleibt das steuerlich unbeachtlich, solange dieser Vereinbarung keine wirtschaftliche Bedeutung zukommt, sondern sie dem Enteigneten lediglich steuerliche Vorteile verschaffen soll. Etwas anderes würde nur in dem – eher theoretischen – Fall gelten, daß für den Kläger ein wirtschaftlich vernünftiger außersteuerlicher Anlaß bestand, im Rahmen des Vergleichs auf seine Zinsforderung zu verzichten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.10.1998, X R 96/96

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