FinMin Bremen, 25.7.2005, S 2256 - 5589 - 11 - 1

Bei der Ermittlung der Einkünfte aus privaten Wertpapierveräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist Folgendes zu beachten:

 

1. Allgemeines zur Verwahrung von Wertpapieren

Bei der Verwahrung von Wertpapieren ist zwischen zwei Verwahrungsarten zu unterscheiden:

  • Sammelverwahrung (Girosammelverwahrung)
  • Sonderverwahrung (sog. Streifbandverwahrung)

a) Girosammelverwahrung

Sammelverwahrung bedeutet, dass Wertpapiere vom Verwahrer ungetrennt von eigenen und von Papieren Dritter aufbewahrt werden. Im Gegensatz zu der Streifbandverwahrung verliert der Wertpapierinhaber bei der Girosammelverwahrung das Einzeleigentum an bestimmten Wertpapieren und wird statt dessen Bruchteilseigentümer an allen Papieren einer Art und Gattung, die gemeinsam im Girosammeldepot verwahrt werden (§§ 5 ff. des DepotgesetzesDepotG –).

b) Streifbandverwahrung

Bei der Streifbandverwahrung bleibt der Wertpapierinhaber Eigentümer der speziellen von ihm erworbenen Papiere. Die Wertpapiere werden unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung jedes Hinterlegers gesondert von den eigenen Beständen der Bank oder von denen Dritter verwahrt. Der Name des Eigentümers wird auf dem Papierstreifen o.Ä. vermerkt, der als Streifband die Wertpapiere – ähnlich gebündelter Banknoten – umgibt (§ 2 DepotG).

In den Fällen der Streifbandverwahrung ist zu bedenken, dass lediglich die speziellen Aktien als solche einem bestimmten Eigentümer zugeordnet werden können. Es ist dagegen regelmäßig nicht möglich, den einzelnen Aktien ein genaues Anschaffungsdatum zuzuordnen, da dieses grundsätzlich nicht auf dem Streifband bezeichnet wird. Aus diesem Grunde kann die Rechtsprechung zum Girosammeldepot nach alter Rechtslage (Durchschnittswertmethode) analog auch auf die Streifbandverwahrung übertragen werden.

 

2. Einkommensteuerliche Behandlung der Veräußerung

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfolgt eine Besteuerung von Wertpapierverkäufen als privates Veräußerungsgeschäft, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr vergangen ist.

a) Rechtslage bis VZ 2003 (Durchschnittswertmethode)

Zur Ermittlung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Wertpapieren in Girosammelverwahrung hat der BFH (BFH-Urteil vom 24.11.1993, X R 49/90, BStBl 1994 II S. 591) entschieden, dass die Veräußerungsfrist i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nur dann gewahrt ist, soweit nach der Art und der Stückzahl ausgeschlossen werden kann, dass die veräußerten Wertpapiere außerhalb dieser Frist erworben wurden (vgl. H 169 „Sammeldepot” EStH 2004). Auf die RdNrn. 45-48, BMF-Schreiben vom 25.10.2004, IV C 3 – S 2256 – 238/04 (BStBl 2004 I S. 1034) wird verwiesen. Sowohl das Lifo- als auch das Fifo-Verfahren sind nicht anwendbar; die Anschaffungskosten sind nach den Durchschnittswerten zu ermitteln.

Praxis-Beispiel

Beispiel 1 (aus Rz. 48 des o.a. BMF-Schreibens):

In dem Depot des Steuerpflichtigen A befinden sich insgesamt 250 Aktien der B-AG, die zu folgenden Zeitpunkten zu unterschiedlichen Kursen angeschafft wurden:

Anschaffungszeitpunkt Anzahl AK je Aktie  
1.7.2001 50 120 EUR  
20.10.2001 80 160 EUR  
10.11.2001 120 150 EUR  

Am 1.10.2002 veräußert A 100 Aktien der B-AG zu einem Kurs von 200 EUR. Hierbei fallen Bankgebühren in Höhe von 10 EUR an.

Lösung:

Zunächst gelten die am 1.7.2001 angeschafften 50 Aktien als veräußert, weil bei diesen im Zeitpunkt der Veräußerung die Behaltensfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bereits abgelaufen war. Die restlichen veräußerten 50 Aktien entfallen anteilig auf den innerhalb der Behaltensfrist angeschafften Bestand.

Die Anschaffungskosten dieser Aktien sind nach Durchschnittssätzen zu ermitteln:

80 Aktien je 160 EUR = 12.800 EUR  
120 Aktien × 150 EUR = 18.000 EUR  
insgesamt 200 Aktien = 30.800 EUR  
Durchschnitt je Aktie = 154 EUR  

Es ergibt sich folgender Veräußerungsgewinn:

Veräußerungserlös insgesamt: 100 Aktien × 200 EUR 20.000 EUR  
davon nicht steuerbar: 50 Aktien × 200 EUR 10.000 EUR  
verbleiben: 10.000 EUR  
abzüglich AK der 50 Aktien × 154 EUR 7.700 EUR  
steuerbarer Veräußerungserlös: 2.300 EUR  
abzüglich anteilige Bankgebühren (50 %): 5 EUR  
privater Veräußerungsgewinn: 2.295 EUR  
steuerpflichtig nach dem Halbeinkünfteverfahren: 1.147 EUR  

Die innerhalb der Behaltensfrist veräußerten 50 Aktien entfallen auf die jeweiligen Anschaffungszeitpunkte mit einem Anteil von 80/200 (2/5) auf die am 20.10.2001 und mit einem Anteil von 120/200 (3/5) auf die am 10.11.2001 angeschafften Aktien. Die sich nach der Veräußerung am 1.10.2002 noch im Sammeldepot befindlichen 150 Aktien verteilen sich somit wie folgt auf die unterschiedlichen Anschaffungszeitpunkte:

Aktienbestand vor Veräußerung: 150 Stück  
abzüglich Verkauf der Aktien    
mit Anschaffungszeitpunkt 1.7.2001: 50 Stück  
Zwischensumme: 200 Stück  
Aufteilung der weiteren 50 verkauften Aktien auf    
Anschaffungszeitpunkt 20.10.2001 (80/200 – 2/5): 20 Stück  
Anschaffungszeitpunkt 10.11.2001 (120/200 – 3/5): 30 Stück  

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