Entscheidungsstichwort (Thema)

Erteilung eines vorläufigen Reisepasses bei bestehender Steuerfluchtgefahr. Steuerfluchtwille bei Privatinsolvenz und Restschuldbefreiung

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 6; EMRK Art. 8; PassG § 6 Abs. 1 S. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 S. 1; BGB § 1626a Abs. 1; ZPO § 286 ff.; InsO § 304 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

VG Leipzig (Beschluss vom 26.02.2010; Aktenzeichen 3 L 15/10)

 

Tenor

Der Antrag des Antragstellers, ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 26. Februar 2010 – 3 L 15/10 – wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht Leipzig hat den Antrag des Antragstellers, ihm vorläufig einen Reisepass auszuhändigen, zu Recht abgelehnt. Die dagegen mit der Beschwerde vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO beschränkt ist, sind nicht geeignet, die gerichtliche Entscheidung in Frage zu stellen.

Das Verwaltungsgericht Leipzig hat festgestellt, dass für den Antrag des Antragstellers weder ein Anordnungsgrund bestehe noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden sei. Dass der Antragsteller in Kenntnis der Tatsache, dass die Antragsgegnerin beabsichtigte, ihm jedenfalls in absehbarer Zeit keinen Reisepass auszustellen, kurzfristig einen Flug gebucht habe, sei von ihm selbst zu vertreten. Auch müsse er im Falle des Abwartens des Hauptsacheverfahrens nicht dauerhaft von seiner Familie getrennt leben. Es sei nämlich nicht glaubhaft gemacht und auch nichts dafür ersichtlich, dass die in Venezuela lebende Lebensgefährtin – bzw. die bislang erst kirchlich angetraute Frau – des Antragstellers sowie der gemeinsame Sohn nicht jedenfalls vorübergehend nach Deutschland zu ihm zurückkehren könnten. Zum einen sei der Sohn des Antragstellers Deutscher, zum anderen erfordere auch die persönliche Situation der Familie keinen Verbleib in Venezuela. Der Antragsteller habe selbst vorgetragen, dass seine Familie in Venezuela ein Leben unter dem Existenzminimum führe und unbedingt auf seine Hilfe angewiesen sei; die Familie habe in Venezuela keine gesicherte Existenz, aufgrund derer eine auch nur vorübergehende Aufgabe des dortigen Wohnsitzes unzumutbar sein könnte. Im Übrigen könnte der Antragsteller gegebenenfalls mit Hilfe der Sozialsysteme seine Familie auch in Deutschland unterstützen. Damit erweise sich die Passverweigerung gemessen an Art. 6 GG auch nicht als unverhältnismäßig. Die Versagung der Ausstellung des beantragten Reisepasses (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 PassG) beruhe auf § 7 Abs. 1 Nr. 4 1. Alt. PassG. Hiernach sei ein Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründeten, dass sich der Passbewerber seinen steuerlichen Verpflichtungen entziehen wolle. Zwar reiche allein das hier unstreitige Vorliegen von erheblichen Steuerrückständen nicht aus; vielmehr sei darüber hinaus in subjektiver Hinsicht ein Steuerfluchtwille erforderlich. Der entsprechende Nachweis sei geführt, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aus dem gesamten Verhalten des Antragstellers und aus sonstigen Umständen seine Absicht ergebe, dass er sich ins Ausland absetzen wolle, um seinen steuerlichen Verpflichtungen zu entgehen. Daher müsse ein Kausalzusammenhang zwischen den Steuerschulden im Inland einerseits und dem geplanten Auslandsaufenthalt andererseits bestehen. Schließlich sei gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 PassG auch mit Blick auf die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Ausreisefreiheit und auch gegebenenfalls mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG sowie Art. 8 EMRK der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dementsprechend müsse die Passbeschränkung geeignet sein, den mit ihr verfolgten Zweck einer erleichterten Begleichung der Steuerrückstände zu erreichen, d.h. sie müsse dazu beitragen können, die Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen zumindest zu fördern. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien hat das Verwaltungsgericht Leipzig festgestellt, dass derzeit mehr für einen Steuerfluchtwillen des Antragstellers spreche und ihm daher auch unter Berücksichtigung insbesondere von Art. 6 Abs. 1 GG ein Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zumutbar sei. Hierbei – so das Gericht – falle ins Gewicht, dass der Antragsteller im Jahr 2006 die Bundesrepublik Deutschland ohne Mitteilung seines neuen Aufenthaltsortes verlassen habe und in Venezuela offensichtlich unter falschen Personalien aufgegriffen worden sei. Auch habe er nach seiner Rückkehr nach Deutschland keinerlei Anstrengungen glaubhaft gemacht, die zeigten, dass er ernsthaft gewillt sei, seine Angelegenheiten zu regeln, bevor er endgültig ausreise. Den Antrag auf Privatinsolvenz habe er offensichtlich nur gestellt, weil er sich durch den Gang des Ver...

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