Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf gerichtliche Entscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

Macht der Verletzte einer Straftat oder ein am Verfahren nicht beteiligter Dritter geltend, durch die Gewährung unbeschränkter Akteneinsicht an den Beschuldigten in seinen (Grund-)Rechten verletzt zu sein, kann er in entsprechender Anwendung von § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe des § 161 a Abs. 3 Sätze 2 bis 4 StPO beantragen. Der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG ist insoweit nicht eröffnet.

 

Normenkette

StPO § 147 Abs. 5 S. 2, § 161a Abs. 3 Sätze 2-4; EGGVG § 23 ff.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin stellt Sound-Systeme für Kraftfahrzeuge her, die sie in Zusammenarbeit mit Automobilherstellern für die jeweiligen Kraftfahrzeugtypen entwickelt. Dies erfordert einen erheblichen finanziellen Aufwand, da ein Auto u.a. aufgrund großer Glasflächen, unterschiedlicher Innenraummaterialien und lauter Außengeräusche einen schwierigen akustischen Raum bildet.

Nach dem Vortrag der Antragstellerin seien aus der Firma … am 30. September 2004 zwei Mitarbeiter ausgeschieden, die etwa zwei Wochen später einem deutschen Automobilhersteller einen Prototyp eines Fahrzeuges mit einem Sound-System präsentiert hätten. Es sei ausgeschlossen, dass sie dieses selbst innerhalb kurzer Zeit entwickelt hätten. Vielmehr hätten sie auf Know-how der Antragstellerin zurückgegriffen und dieses für ihre eigenen Zwecke verwendet. Dabei habe sich einer der Beschuldigten zu der Zeit, zu der beide noch bei der Firma … beschäftigt gewesen seien, geheime Informationen verschafft, so ein geheimes Softwareprogramm, welches er auf seinem dienstlichen Computer „versteckt” habe, um es auf ein externes Speichermedium zu übertragen und es auf diese Weise zu entwenden.

Die Antragstellerin erstattete gegen die beiden Beschuldigten und den Geschäftsführer der Gesellschaft, die diese gegründet hätten, um mit der Antragstellerin in Wettbewerb zu treten, Strafanzeige wegen Verdachtes des Verrates von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 17 UWG) und stellte insoweit Strafantrag. Diesem fügte sie Kopien von E-Mails bei, in denen die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse enthalten seien. Die Geheimnisse habe die Antragstellerin aufgrund Vertrages gemäß §§ 123 ff. UmwG vom 2. Juni 2005 von der Firma … übernommen.

Aufgrund der Strafanzeige seien die Geschäftsräume der von den Beschuldigten betriebenen Gesellschaft sowie deren private Wohnungen durchsucht und dabei Speichermedien sichergestellt worden. Um deren Auswertung zu erleichtern, habe die Antragstellerin der Staatsanwaltschaft Codenamen, Schlagworte und Begriffe für die als geheim einzustufende Software sowie geheime Details zu Computerprogrammen mitgeteilt. Sie habe die Ermittlungsbehörde darum gebeten, den Beschuldigten die geheimen Informationen nicht zugänglich zu machen, um zu verhindern, dass diese sie (erneut) kopierten.

Mit Verfügung vom 22. Dezember 2005 hat die Staatsanwaltschaft der Antragstellerin mitgeteilt, sie beabsichtige, den Verteidigern umfassend Akteneinsicht zu gewähren. Hiergegen hat die Antragstellerin beim Oberlandesgericht Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG gestellt. Sie beantragt, der Staatsanwaltschaft zu untersagen, den Beschuldigten und deren Verteidigern umfassend Akteneinsicht zu gewähren, ohne hinsichtlich der von ihr als geheimhaltungsbedürftig bezeichneten Teile die in Nr. 260 b RiStBV genannten Maßnahmen zu treffen, insbesondere die geheimhaltungsbedürftigen Dokumente vor der Gewährung von Akteneinsicht den einzusehenden Akten zu entnehmen. Hierdurch sei nicht das „Ob”, sondern das „Wie” der Akteneinsicht betroffen. Es gehe nicht um die Gewährung oder Versagung von Akteneinsicht, sondern um die Ergreifung geeigneter Geheimhaltungsmaßnahmen bei deren Gewährung.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Antragstellerin ficht nach Inhalt und Ziel ihres Antrages zunächst die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 22. Dezember 2005 an (Anfechtungsantrag). Darüber hinaus begehrt sie eine Verfügung des Inhaltes, dass den Verteidigern nicht umfassend Akteneinsicht gewährt wird (Verpflichtungsantrag).

Entgegen ihrer Wertung betreffen ihre Anträge nicht nur das „Wie” der Akteneinsicht, sondern auch das „Ob”.

Nach ihrem Vorbringen hat die Antragstellerin der Staatsanwaltschaft unter anderem von ihr als geheimhaltungsbedürftig einzustufende Schriftstücke übersandt. Damit sind diese Teile der Akten geworden. Sie sollen nach ihrem Willen gemäß Nr. 260 b Abs. 1 RiStBV aus den Akten herausgenommen werden, weshalb sich der Antrag primär auf die Bestimmung des Umfanges der Akten bezieht. Indes würde hierdurch das Recht der Verteidiger auf Akteneinsicht beschnitten, denn die Schriftstücke, die herausgenommen werden sollen, werden ihrer Einsicht entzogen.

III.

1. Das Oberlandesgericht ist für die Bescheidung weder des Anfechtungs- noch des Verpflichtungsantrages zuständig. Vielmehr ist in entsprechender Anwendung von §§ 147 Abs. 5 Satz 2, 161 a Abs. 3 Satz 2 StPO das Landgericht berufen, h...

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