Rz. 81

Werden die publizitätspflichtigen Unterlagen nicht oder nicht rechtzeitig offengelegt bzw. nach § 326 Abs. 2 HGB hinterlegt, ist dies weder ein Grund zur Anfechtung des Jahresabschlusses noch ein Nichtigkeitsgrund z. B. nach § 256 AktG.[1] Bei Verletzung der Offenlegungspflicht sieht das Gesetz aber Sanktionen gegen die vertretungsberechtigten Organe der Gesellschaft oder auch gegen die Gesellschaft selbst vor (zu der Verschiebung der Sanktionsfrist Anfang 2024 s. Rz 7).

 

Rz. 82

Bei einem festgestellten Publizitätsverstoß wird dieser nämlich durch Einleitung eines entsprechenden Verfahrens von Amts wegen gegen das vertretungsberechtigte Organ des Unternehmens geahndet. Alternativ kann auch ein Verfahren gegen die Gesellschaft selbst eingeleitet werden (vgl. § 335 Abs. 1 Satz 2 HGB), womit sichergestellt ist, dass eine Zustellung stets am Sitz des Unternehmens erfolgen kann.

 

Rz. 83

Bei einem Publizitätsverstoß unterrichtet der Betreiber des Unternehmensregisters das Bundesamt für Justiz zwecks Einleitung eines Ordnungsgeldverfahrens (vgl. § 329 Abs. 4 HGB).

 

Rz. 84

Gem. § 335 Abs. 1 HGB, der gem. § 335b HGB auch für offenlegungspflichtige Personengesellschaften i. S. d. § 264a HGB gilt, ist gegen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Gesellschaft (oder die Gesellschaft selbst, vgl. § 335 Abs. 1 Satz 2 HGB), die pflichtwidrig

  • die Vorschrift des § 325 HGB über die Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses, des Lageberichts, des Konzernabschlusses, des Konzernlageberichts und anderer Unterlagen der Rechnungslegung oder
  • die Vorschrift des § 325a HGB über die Pflicht zur Offenlegung der Rechnungslegungsunterlagen der Hauptniederlassung

nicht befolgen, ein Ordnungsgeld nach § 335 Abs. 26 HGB festzusetzen.

Dem Verfahren steht nach § 335 Abs. 1 Satz 3 HGB nicht entgegen, dass eine der Offenlegung vorausgehende Pflicht, insbesondere die Aufstellung des Jahres- oder Konzernabschlusses oder die unverzügliche Erteilung des Prüfauftrags, noch nicht erfüllt ist.

 

Rz. 85

Das Ordnungsgeld beträgt nach § 335 Abs. 1 Satz 4 HGB mindestens 2.500 EUR und höchstens 25.000 EUR, für kapitalmarktorientierte Unternehmen ergibt sich aus § 335 Abs. 1b HGB ggf. ein höheres Ordnungsgeld. Das gegen die Gesellschaft festgesetzte Ordnungsgeld stellt nach § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG eine nicht abzugsfähige Betriebsausgabe dar. Übernimmt die Gesellschaft für ihren Geschäftsführer das gegen diesen festgesetzte Ordnungsgeld, liegt bei einer Personengesellschaft ebenfalls eine nicht abzugsfähige Sonderbetriebsausgabe vor, während bei einer Kapitalgesellschaft ein lohnsteuerpflichtiger geldwerter Vorteil oder bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt.[2]

 

Rz. 86

Das Ordnungsgeldverfahren ist für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute in § 340o HGB bzw. bei Versicherungsunternehmen in § 341o HGB angesiedelt.

 

Rz. 87

Auf das Ordnungsgeldverfahren sind gem. § 335 Abs. 2 HGB die §§ 1519, § 40 Abs. 1, §§ 388 Abs. 1, 389 Abs. 3, 390 Abs. 26 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie im Übrigen § 11 Nr. 1, 2, § 12 Abs. 1 Nr. 13, Abs. 2 und 3, §§ 14, 15, 20 Abs. 1 und 3, § 21 Abs. 1, §§ 23 und 26 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze entsprechend anzuwenden.

Das Ordnungsgeld ist ein Justizverwaltungsverfahren. Gem. § 335 Abs. 2 Satz 3 HGB sind neben Rechtsanwälten auch Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Personen und Vereinigungen i. S. d. § 3 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes sowie Gesellschaften i. S. d. § 3 Nrn. 2, 3 des Steuerberatungsgesetzes (= entsprechende Partnerschaftsgesellschaften und Steuerberatungs-, Rechtsanwalts-, Wirtschaftsprüfungs- und Buchprüfungsgesellschaften) zur Vertretung befugt.

 

Rz. 88

Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes wird gem. § 335 Abs. 3 HGB zunächst den Mitgliedern des vertretungsberechtigten Organs angedroht, wenn diese nicht innerhalb einer Frist von 6 Wochen vom Zugang der Androhung an ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommen oder die Unterlassung mittels Einspruch gegen die Verfügung rechtfertigen. Mit der Androhung des Ordnungsgeldes sind den Beteiligten nach § 335 Abs. 3 Satz 2 HGB zugleich die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Diese Kosten betragen nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 JVKostO i. V. m. Nr. 600 der Anlage 50 EUR je Person, gegen die ein Androhungsverfahren durchgeführt wird, und fallen auch dann an, wenn der Betroffene innerhalb der 6-Wochen-Frist der Verpflichtung zur Offenlegung nachkommt. Ein Einspruch gegen die Verfügung kann auf Einwendungen gegen die Kostenentscheidung beschränkt werden.

Nach fruchtlosem Ablauf der 6-Wochen-Frist wird das Ordnungsgeld unverzüglich festgesetzt, wenn der Offenlegungspflicht nicht entsprochen wurde oder die Unterlassung mittels Einspruchs gerechtfertigt worden ist. Gleichzeitig ist die frühere Verfügung unter Androhung eines erneuten (und ggf. erhöhten) Ordnungsgeldes...

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