vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [VIII R 26/15)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer-Pflicht einer Heileurythmistin

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zum Begriff des Gewerbebetriebes nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG.
  2. Eine Heileurythmistin ist weder Heilpraktikerin noch Krankengymnastin.
  3. Die Betätigung einer Heileurythmistin stellt keinen ähnlichen Beruf nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG dar.
  4. Hinsichtlich der Ähnlichkeit zur Tätigkeit des Heilpraktikers fehlt es an der für die Ausübung dieses Berufs notwendigen staatlichen Erlaubnis; hinsichtlich der Tätigkeit eines Krankengymnasten oder Physiotherapeuten fehlt es an einer entsprechenden Breite und Tiefe der Ausbildung.
  5. Die Ausbildung zum Heileurythmistin zielt im Wesentlichen auf die Erlernung einer Bewegungstherapie ab, welche die Laute menschlichen Sprechens in wahrnehmbare Bewegungen umwandelt. Die Ausbildung zum Krankengymnasten oder Physiotherapeuten hat eine andere Zielrichtung.
  6. Demzufolge ist eine Heileurythmistin gewerbesteuerpflichtig.
 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2 S. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1 S. 1; HeilprG § 1 Abs. 1; HeilprGDV § 2 Abs. 1, § 7; MBKG § 1; MPhG § 1; PhysTh-APrV § 1 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2011

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.11.2018; Aktenzeichen VIII R 26/15)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin gewerbesteuerpflichtig ist.

Die Klägerin ist als Heileurythmistin tätig.

Sie wurde von 1990 bis 1993 an der Eurythmieschule A und von September 1993 bis Juni 1995 an dem Institut für Waldorfpädagogik B in Vollzeit in der anthroposophischen Tanzkunst "Eurythmie" ausgebildet. Am XX.XX 1995 erhielt die Klägerin das Diplom für Eurythmie des Instituts für Waldorfpädagogik B.

Die vierjährige Ausbildung vermittelte Kenntnisse in den eurythmischen Grundelementen und war im Wesentlichen auf künstlerische und pädagogische Berufstätigkeiten ausgerichtet. Neben der künstlerischen Schulung wurde großen Wert auf die individuelle Persönlichkeitsbildung gelegt. Der Arbeitsaufwand umfasste ca. 4.500 Stunden.

Vom XX. September 2002 bis zum XX. Dezember 2003 absolvierte die Klägerin eine Vollzeitausbildung zur Heileurythmistin an der Schule für Eurythmische Heilkunst in C. Die Zusatzausbildung erforderte einen Arbeitsaufwand von ca. 1.500 bis 1.800 Stunden (Unterricht, Übungsstunden, Praktika, Vor- und Nachbereitung, Eigenarbeit). Wegen der Einzelheiten wird auf das eingereichte Rahmen-Curriculum und die Ausbildungsübersicht der Schule für eurythmische Heilkunst in C für das Ausbildungsjahr 2002/2003 verwiesen.

Die Klägerin erhielt am XX. Dezember 2003 das Heileurythmie-Diplom, welches von der Schule, der Gesellschaft für Anthroposophische Heilkunst und Eurythmie e.V. und der Medizinischen Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum in Dornach / Schweiz verliehen wurde. Die Schule erklärte die Klägerin für befähigt, im Zusammenhang mit einem Arzt bei Erwachsenen und Kindern Heileurythmie anzuwenden.

Die Klägerin ist Mitglied des Berufsverbands Heileurythmie e.V. Nach § 3 Ziff. 1 Satz 1 der Satzung des Berufsverbands kann nur Mitglied werden, wer ein Abschlusszeugnis für Eurythmie und Heileurythmie / Eurythmie Therapie hat, sowie gemäß den Richtlinien des Berufsverbandes eine Berufsqualifikation erworben hat. Nach Ziff. 1.1. der Richtlinien gelten als Ausbildung im Sinne der Satzung ein abgeschlossenes Eurythmiestudium und eine vollständige Heileurythmieausbildung mit Abschlussdiplom der Medizinischen Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum in Dornach / Schweiz.

Weder die Klägerin noch die Berufsverbände für die Heileurythmie sind nach § 124 SGB V von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen zugelassen worden.

Anfang 2006 schlossen mehrere gesetzliche Krankenkassen mit den Berufsverbänden der anthroposophischen Heilkunst Verträge zur Durchführung Integrierter Versorgung mit Anthroposophischer Medizin auf der Grundlage der §§ 140a ff. SGB V (sog. IV-Verträge). Der Berufsverband, in dem die Klägerin Mitglied ist, war einer der Vertragspartner.

Nach § 2 Ziff. 1 der IV-Verträge gehört die Heileurythmie zu den Versorgungsinhalten der anthroposophischen Medizin. Die nicht-ärztlichen Therapieverfahren sollen nach § 2 Ziff. 4 Buchst. a) der IV-Verträge auf ärztliche Anordnung durch speziell ausgebildete Therapeuten erbracht werden. Die Ausbildung und Eignung müssen durch den Berufsverband überprüft und anerkannt werden. Die spezielle Ausbildung wird gemäß § 6 Ziff. 4 Satz 2 der IV-Verträge angenommen, wenn der Heilmittelerbringer eine durch den Berufsverband ausgestellten Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung oder eine Gleichwertigkeitsbescheinigung nachweisen kann. Die Teilnahmeberechtigung wird nach § 6 Ziff. 3 von dem Berufsverband erteilt, wenn die in § 6 Ziff. 4 genannten Voraussetzungen nachgewiesen sind und die Regelungen der sog. IV-Verträge anerkannt werden.

In der Anlage 4 zu den sog. IV-Verträgen (Vereinbaru...

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