vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [II R 49/11)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge aus der Erbschaftsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zur Verzinsung nach § 236 Abs. 1 Satz 1 AO.
  2. § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO ist eine Verweisungsnorm nicht nur hinsichtlich der Rechtsfolgen sondern auch bezüglich des Rechtsgrund der Verzinsung.
  3. Die Verweisung nach § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO auf Abs. 1 hat daher zur Folge, dass Prozesszinsen nur zuerkannt werden können, wenn der angestrengte Rechtsstreit ursächlich für die Herabsetzung der Steuer oder für die zu verzinsende Steuererstattung war.
  4. Wird eine Steuer auch ohne Klageverfahren herabgesetzt, greift § 236 AO nicht ein.
  5. Zur Rechtsfrage, ob eine mittelbare Ursächlichkeit einer Klage für die Gewährung von Prozesszinsen nach § 236 AO ausreicht.
 

Normenkette

AO § 236

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.08.2012; Aktenzeichen II R 49/11)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Verzinsung eines Steuererstattungsanspruches.

Die Klägerin ist Alleinerbin der im Jahr 2004 verstorbenen Frau G., mit der sie im Jahre 2002 eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen war.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 17. Oktober 2005 unter Zugrundelegung der Steuerklasse III Erbschaftsteuer gegen die Klägerin i.H.v. 35.645 € fest.

Nach erfolglosem Vorverfahren erhob die Klägerin gegen die Steuerfestsetzung am 20. Dezember 2005 Klage bei dem Niedersächsischen Finanzgericht (3 K 529/05) und begehrte die Anwendung der Steuerklasse I. Mit abänderndem Bescheid vom 16. Februar 2006 wurde die Steuer auf 40.337 € erhöht und die Steuerfestsetzung gleichzeitig im Hinblick auf die bei dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerden zur Verfassungswidrigkeit der Erbschaftsbesteuerung von eingetragenen Lebenspartnern (1 BvR 611/07) in vollem Umfang für vorläufig erklärt. Das Klageverfahren bei dem Finanzgericht wurde daraufhin durch beiderseitige Erledigungserklärungen beendet.

Nachdem das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 21. Juli 2010 mit positivem Ausgang für die Beschwerdeführer beendet worden und die Erbschaftsbesteuerung eingetragener Lebenspartner für unvereinbar mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (im Folgenden: GG) erklärt worden war, erließ der Beklagte Anfang 2011 einen undatierten Bescheid, der der Klägerin am 31. Januar 2011 zuging und in dem die Erbschaftsteuer auf 0 € festgesetzt wurde. Auf Grundlage dieses Bescheides wurde der Klägerin die überzahlte Steuer i.H.v. 40.337 € durch Abrechnungsmitteilung vom 8. Februar 2011 erstattet.

Mit Schreiben vom 15. Februar 2011 beantragte die Klägerin die Festsetzung von Prozesszinsen nach § 236 der Abgabenordnung (im Folgenden: AO) auf den Erstattungsbetrag. Der Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 3. März 2011 ab.

Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin am 27. Mai 2011 Klage erhoben.

Sie geht davon aus, ihr stünden für den Zeitraum ab Rechtshängigkeit der Klage gegen den Erbschaftsteuerbescheid bis zur Auszahlung des überzahlten Steuerbetrages nach § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO Prozesszinsen auf den Erstattungsbetrag von 40.337 € zu. Der Rechtsstreit habe sich durch Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes erledigt, so dass die Voraussetzungen der Verzinsung vorlägen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 3. März 2011 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 27. April 2011 zu verpflichten, zu Gunsten der Klägerin Prozesszinsen gem. § 236 AO auf den Erstattungsbetrag in Höhe von 40.337 € festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, eine Verzinsung des Erstattungsanspruches komme nicht in Betracht. Voraussetzung für die Verzinsung eines Erstattungsanspruches nach § 236 AO sei die Herabsetzung der Steuer durch eine oder aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung. Das (finanz-)gerichtliche Verfahren müsse unmittelbar ursächlich für die Steuerherabsetzung gewesen sein. Im Streitfall sei für die Herabsetzung der Steuer nicht der Abschluss des finanzgerichtlichen Verfahrens, sondern die Änderung des Erbschaftsteuergesetzes infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ursächlich gewesen.

Die Beteiligten haben einvernehmlich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter (§ 79a Abs. 3 und 4 der Finanzgerichtsordnung) erklärt.

 

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 AO für den Zeitraum ab Rechtshängigkeit der Klage bei dem Finanzgericht am 20. Dezember 2005 bis zur Erstattung der überzahlten Erbschaftsteuer am 8. Februar.

1. Nach § 236 Abs. 1 Satz 1 AO ist der zu erstattende Betrag zu verzinsen, wenn durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt wird. Nach § 236 Abs. 2...

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