vorläufig nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Außergewöhnliche Belastung: Behinderungsbedingter Mehraufwand durch Grundstückskauf

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Mehraufwendungen für den behindertengerechten Neubau eines Hauses können als agB abziehbar sein.
  2. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Mehraufwendungen unausweislich waren, denn dann erwachsen sie zwangsläufig i. S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG.
  3. Zu derartigen zwangsläufigen Mehraufwendungen können im Einzelfall auch die Mehrkosten für die Anschaffung eines größeren Grundstücks gehören.
  4. Die sog. Gegenwertslehre kommt schon dann nicht zum Tragen, wenn es sich um behinderungsbedingte notwendige Baumaßnahmen handelt, die keinen über den individuellen Nutzungsvorteil hinausgehenden Gegenwert begründen.
 

Normenkette

EStG § 33

 

Streitjahr(e)

2009

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.07.2014; Aktenzeichen VI R 42/13)

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.

Die Klägerin ist schwerbehindert. Sie leidet unter Multipler Sklerose. Mit Bescheid vom 22.12.2006 wurde der Grad der Behinderung auf 80 % festgestellt.

Die Kläger errichteten in den Jahren 2009 und 2010 zu eigenen Wohnzwecken einen Bungalow. Aufgrund der behinderungsbedingten Anforderungen an die Wohnfläche entschieden sie sich u.a. nach fachkundiger Beratung für einen eingeschossigen Bungalow. Die gegenüber einem mehrgeschossigen Bungalow erforderliche Grundfläche des Gebäudes erforderte aufgrund der im Bebauungsplan vorgeschriebenen Grundflächenzahl von 0,3 den Erwerb einer um 151,67 Quadratmeter größeren Grundstücksfläche. Dadurch ergaben sich bei einem Preis von 87 €/qm Mehrkosten für den Baugrund i.H.v. 13.195,29 €. Ferner entstand den Klägern in 2009 durch erforderliche behinderungsgerechte Baumaßnahmen ein behinderungsbedingter Mehraufwand von 205,45 €, den die Kläger nach Abzug von Zuschüssen der Kranken- und Pflegekassen als Eigenanteil selbst zu tragen hatten.

In ihrer Einkommensteuererklärung 2009 machten die Kläger aufgrund des behinderungsbedingten Mehraufwandes für den Hausbau zunächst keine Kosten als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2009 zuletzt mit Einkommensteuerbescheid vom 14.02.2011 fest. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein. Diesen begründeten sie damit, dass ihnen durch den Hausbau in 2009 Mehrkosten wegen behinderungsbedingter Baumaßnahmen i.H.v. 13.400,74 € entstanden seien, die als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen seien. Da die Klägerin u. a. an einer schweren Gehbehinderung leide und ihr das Steigen von Treppen nicht möglich sei, seien sie auf eine eingeschossige Bauweise des Bungalows angewiesen gewesen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sanitäre Einrichtungen großzügig ausgelegt sein mussten, um die pflegerische und betreuende Unterstützung durch andere Personen zu ermöglichen, und Wendeflächen für den Rollstuhl, breitere Türen und niedrigere Schwellen, Haltegriffe und eine barrierefreie Duschkabine mit einem Klappsitz erforderlich gewesen seien. Dadurch habe sich eine um 45,5 m² größere Grundfläche des Bungalows gegenüber einem Bungalow ergeben, der ohne Berücksichtigung der Behinderung der Klägerin hätte gebaut werden können. Aufgrund der im Baugebiet vorgegebenen Grundflächenzahl seien sie gezwungen gewesen, ein 151,67 Quadratmeter größeres Grundstück zu kaufen, um das Gebäude entsprechend realisieren zu können. Dadurch hätten sich für das Grundstück Mehrkosten i.H.v. 13.195,29 € ergeben. Weitere Aufwendungen i.H.v. 205,45 € ergäben sich durch den nicht bezuschussten Eigenanteil der erforderlichen Mehraufwendungen.

Der Einspruch der Kläger war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Kläger sind der Auffassung, dass baubedingte Mehrkosten aufgrund der Behinderung der Klägerin i.H.v. 13.400,74 € als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien. Ferner hätten sie einen Anspruch auf die Berücksichtigung weiterer Kosten für behinderungsbedingte Fahrtkosten in Höhe von pauschal 900 €.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 14.02.2011 und die Einspruchsentscheidung vom 23.11.2011 dahingehend zu ändern, dass der Teil von 14.300,74 €, der die den Klägern zumutbare Belastung gemäß § 33 Abs. 3 EStG übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen und die Steuer entsprechend herabgesetzt wird.

Der Beklagte erkennt die von den Klägern als Eigenanteil getragenen behinderungsbedingten Mehraufwendungen i.H.v. 205,45 € und die Kosten für behinderungsbedingte Fahrtkosten von pauschal 900 € an und beantragt im Übrigen,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Krankheit der Klägerin sei nicht ursächlich für den Erwerb einer größeren Grundstücksfläche gewesen. Zumindest könnten erhebliche persönliche Motive, die unabhängig von der Krankheit der Klägerin seien, für den Erwerb der größeren Grundstücksfläche nicht ausgeschlossen werden. Unabhängig davon sei bei einer bebauten Fläche von 182,64 m² und einer Grundflächenzahl vo...

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