Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbarkeit von Leistungen, die ein deutscher Reiseveranstalter durch einen Unternehmer in einem anderen EU-Staat bezieht

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein Unternehmer, der gegenüber anderen Reiseunternehmern Reiseleistungen für deren Unternehmen erbringt, kann sich in Abweichung von § 25 Abs. 1 UStG direkt auf Art. 306ff. MwStSystRL berufen und eine sog. Margenbesteuerung seiner Reiseleistungen verlangen.
  2. Die EU-Regelung ist auch dann anwendbar, wenn die Reiseleistungen nicht an einen Endverbraucher, sondern an einen Unternehmer für sein Unternehmen erbracht wird. Das hat zur Folge, dass die vom deutschen Reiseveranstalter bezogenen Leistungen in Deutschland nicht steuerbar sind.
 

Normenkette

UStG § 25 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2009, 2010, 2011, 2012

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.12.2017; Aktenzeichen XI R 4/16)

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin sich in den Streitjahren 2009 bis 2012 direkt auf die Art. 306 bis 310 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (ABl. EU Nr. L 347 S. 1 - MwStSystRL) berufen kann, um eine Steuerschuldnerschaft für bezogene sonstige Leistungen einer Gesellschaft in Österreich für ihr Unternehmen abzuwehren.

Die Klägerin ist eine GmbH, die in den Streitjahren als Reiseveranstalterin unternehmerisch tätig war. In der Zeit von Januar bis Juli 2014 führte der Beklagte bei ihr eine Umsatzsteuersonderprüfung durch, die sich auf die Streitjahre erstreckte. Der Sonderprüfer griff dabei u. a. folgenden Sachverhalt auf:

Die Klägerin hatte in den Streitjahren bei der D T GMBH mit Sitz in Linz (Österreich) Reisevorleistungen zur Durchführung von verschiedenen Radurlauben von Ort zu Ort bezogen. Die GMBH rechnete über diese Leistungen, die sich aus Unterbringung, Verpflegung, Beförderung und Vermietung von Fahrrädern zusammensetzten, gegenüber der Klägerin netto ohne Ausweis von Umsatzsteuer ab. Gegenüber den einzelnen Kunden trat die Klägerin als Reiseveranstalterin im eigenen Namen und für eigene Rechnung auf. In den Umsatzsteuererklärungen unterwarf sie den Differenzbetrag zwischen den von den Reisenden zu zahlenden Reisepreis und den Aufwendungen für die in Anspruch genommenen Reisevorleistungen unter Anwendung des § 25 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) der Umsatzsteuer. In den Ausgangsrechnungen an die Reisenden wies die Klägerin darauf hin, dass die Umsatzbesteuerung nach der gesetzlichen Margenbesteuerung erfolge. Umsatzsteuerrechtliche Folgerungen aus dem Bezug der Leistungen von der GMBH zog die Klägerin in den Streitjahren nicht.

Der Sonderprüfer ging davon aus, dass die von der GMBH erbrachten Leistungen an die Klägerin in Deutschland nach § 3 a Abs. 2 Nr. 1 UStG dort ausgeführt würden, wo sich die Hotels, in denen die Kunden übernachteten, befänden. Da die Radtouren sämtlich in Deutschland stattfänden, seien die Umsätze der GMBH steuerbar und auch steuerpflichtig. Die Klägerin schulde die entstandene Umsatzsteuer für diese Leistungen nach § 13 b Abs. 1 und Abs. 5 UStG 2010). Die Klägerin könne sich nicht auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – EUGH – (Urteil vom 26. September 2013 C-189/11, ECLI:EU:C:2013:587) und des Bundesfinanzhofs – BFH – (Urteil vom 21. November 2013 V R 11/11, BFH/NV 2014, 759) berufen, wonach die in Art. 306 ff. MwStSystRL geregelte Margenbesteuerung auch bei Leistungen eines Reisebüros an einen anderen Unternehmer für sein Unternehmen, mithin auch für die Leistungen der GMBH an sie anwendbar sei. Da es sich um neuere Rechtsprechung handele, hätten die GMBH und die Klägerin hiervon bei Leistungserbringung keine Kenntnis haben können. Es sei daher davon auszugehen, dass die GMBH das nationale Recht zutreffend angewendet und einen Vorsteueranspruch in Deutschland geltend gemacht habe. Insgesamt könne die Klägerin nicht unter Verweis auf die Rechtsprechung einseitig zur Margenbesteuerung optieren. Der Sonderprüfer erhöhte die Umsatzsteuer für die Klägerin als Leistungsempfängerin um 10.000 € (für 2009), 9.000 € (für 2010), 13.000 € (für 2011) und 11.000 € (für 2012). Wegen der weiteren Einzelheiten zu seinen Berechnungen wird auf Tz. 12 des Berichts des Beklagten vom 25. Juli 2014 über die Umsatzsteuersonderprüfung zur StNr. xxx; AD-Nr. xxx hingewiesen.

Der Beklagte folgte der Rechtsansicht seines Sonderprüfers und erließ auch unter Berücksichtigung eines weiteren zwischen den Beteiligten unstreitigen Punktes am xxx 2014 geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre.

Hiergegen erhob die Klägerin am xxx 2014 Einspruch. Der EuGH und ihm folgend der BFH hätten entschieden, dass sich ein Steuerpflichtiger unmittelbar auf Art. 306 ff. MwStSystRL berufen könne, weil die Beschränkung der Leistungsempfänger in § 25 Abs. 1 UStG nicht europarechtskonform sei. Nach den Vorgaben des Europarechts befände sich der Ort der Leistungen der GMBH an die Klägerin in Österreich, mithin seien diese nicht steuerbar. Die Klägerin berufe sich ausdrücklich auf d...

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