vorläufig nicht rechtskräftig

Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Erklärung im Zweifel zu Gunsten des Steuerpflichtigen als Einspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Außerprozessuale Erklärungen sind entspr. § 133 BGB auszulegen.
  2. Entscheidend ist, wie das FA als Erklärungsempfänger den objektiven Erklärungswert des Schreibens verstehen musste.
  3. Bei auslegungsfähigen Rechtsbehelfen ist grds. davon auszugehen, dass der Stpfl. denjenigen Rechtsbehelf einlegen will, der seinem materiell-rechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhilft.
  4. Lässt die Äußerung des Bevollmächtigten eines Stpfl. ungewiss, ob er Einspruch einlegen will, so ist im Allgemeinen die Erklärung als Einspruch zu betrachten.
 

Normenkette

BGB § 133

 

Streitjahr(e)

2007

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.08.2013; Aktenzeichen X R 44/11)

BFH (Urteil vom 19.08.2013; Aktenzeichen X R 44/11)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Kläger lediglich Einspruch gegen den Solidaritätszuschlag 2007 oder auch gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 eingelegt haben.

Am 30. April 2009 erließ der Beklagte einen Bescheid für 2007 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag. Darin war der Beklagte den Angaben der Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung gefolgt.

Am 12. Mai 2009 ging beim Beklagten ein Schreiben des steuerlichen Beraters der Kläger mit folgendem Inhalt ein:

„St.-Nr.: …….. -

Bescheid für 2007 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom 30.04.2009

Sehr geehrte Damen und Herren,

gegen den Bescheid für 2007 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom 30. April 2009 legen wir Einspruch ein.

Der Einspruch richtet sich gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags. Der Bund der Steuerzahler hat beim Niedersächsischen Finanzgericht Klage gegen die Erhebung des Solidaritätszuschlags eingereicht, Aktenzeichen 7 K 143/08. Das Musterverfahren bezieht sich auf den Veranlagungszeitraum 2007.

Wir erklären uns damit einverstanden, dass das Rechtsbehelfsverfahren ruht bis zur höchstrichterlichen Klärung dieser Rechtsfrage.”

Am 30. November 2009 reichte der steuerliche Berater ein weiteres Schreiben ein, in dem er ausführte, der Einspruch werde dahingehend weiter begründet, dass der Kläger sich im Dezember 2007 für die Investition in eine Photovoltaikanlage entschieden und am 11. Dezember 2007 einen entsprechenden Auftrag erteilt habe. Die Lieferung der Photovoltaikanlage sei im April 2008 erfolgt. Für diese nehme der Kläger den Investitionsabzugsbetrag gemäß § 7g Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in Anspruch. Dem Schreiben war eine Anlage GSE sowie die Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2007 beigefügt. Hierin machte der Kläger einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. …….. € geltend.

Mit Bescheid vom 7. Mai 2007 verwarf der Beklagte den Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 vom 30.11.2009 als unzulässig.

Er führte aus, der Einspruch der Kläger vom 12. Mai 2007 sei als ausschließlicher Einspruch gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags auszulegen und nicht als Einspruch gegen die Festsetzung der Einkommensteuer. Zwar hätten sich die Kläger formell gegen die Festsetzung der Einkommensteuer, Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlags gewandt, materiell jedoch lediglich die Festsetzung des Solidaritätszuschlags beanstandet. Insoweit fehle es an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des wirklich Gewollten in der Rechtsbehelfsschrift. Daher sei der wirkliche Wille der Kläger durch Auslegung der Erklärung zu ermitteln. Unter der Maßgabe, dass derjenige Verwaltungsakt angefochten werde, der angefochten werden müsse, um zu dem erkennbar erstrebten Erfolg zu kommen, ergebe sich aus der Zielrichtung des Schreibens vom 12. Mai 2009 eindeutig die ausschließliche Anfechtung der Festsetzung des Solidaritätszuschlags für 2007. Das Schreiben vom 30. November 2009 stelle daher einen erstmaligen Einspruch gegen den Bescheid über die Festsetzung der Einkommensteuer 2007 dar, der jedoch nicht fristgerecht innerhalb der einmonatigen Rechtsbehelfsfrist eingelegt worden und damit nach § 358 Satz 2 Abgabenordnung (AO) unzulässig sei.

Im vorliegenden Klageverfahren widersprechen die Kläger der vom Beklagten vorgenommenen Auslegung des Einspruchs. Sie hätten mit Schreiben vom 12. Mai 2009 Einspruch gegen alle mit diesem Bescheid festgesetzten Steuern eingelegt, sich aber zunächst darauf beschränkt, Gründe zur unzutreffenden Festsetzung des Solidaritätszuschlags vorzutragen, um ein Ruhen des Verfahrens gegen Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag zu erreichen. Sie hätten nicht beabsichtigt, den Einspruch auf den Solidaritätszuschlag zu beschränken. Anderenfalls hätten sie bereits lediglich Einspruch gegen den Bescheid für 2007 über den Solidaritätszuschlag eingelegt.

Da sie mit dem Schreiben vom 12. Mai 2009 auch fristgerecht gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 Einspruch eingelegt hätten, hätten sie diesen wie geschehen späte...

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