vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine aktive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs vor Abschluss des erstmaligen „System-Roll-outs“. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: X R 12/23)

 

Leitsatz (redaktionell)

Das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (§ 86d StBerG) ist grundsätzlich abstrakt geeignet, einen sicheren Übertragungsweg im Sinne des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zu begründen.

Dieser sichere Übertragungsweg steht erst mit Abschluss des erstmaligen System-Roll-outs zur Verfügung (§ 52d Satz 2 FGO). Hierbei erscheint es angemessen, auf den Zeitpunkt der Versendung der letzten Registrierungsbriefe im Rahmen des erstmaligen System-Roll-outs zuzüglich einer angemessenen Frist zur unverzüglichen technischen Einrichtung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs abzustellen.

Das Erfordernis der Errichtung im Sinne des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Var. 2 FGO ist nicht im Sinne einer Herstellung der individuell-persönlichen Empfangsbereitschaft des einzelnen Normadressaten zu verstehen, die die aktive Nutzungspflicht dieses Einzelnen gemäß § 52d Satz 2 i.V.m. Satz 1 FGO von seiner (durch den Empfang des Registrierungsbriefs hergestellten) individuellen Empfangsbereitschaft abhängig machen würde. Vielmehr knüpft der Gesetzestext des § 52d Satz 2 FGO an die abstrakte Existenz des einmal strukturell eröffneten sicheren Übermittlungswegs als solchen an.

Eine strikte (ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten ab dem 1. Januar 2023 von einer aktiven Nutzungspflicht ausgehende) Auslegung der Vorschrift würde der freiheitsrechtlichen Relevanz der Vorschrift für die erfassten Normadressaten, die ihrerseits im Lichte der Auswirkungen auf die Grundrechte der drittbetroffenen Steuerpflichtigen auszulegen ist, nicht hinreichend gerecht werden.

Dem zeitlichen Zusammenfallen der Verpflichtung der Bundessteuerberaterkammer zur Einrichtung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs mit Ablauf des 31. Dezember 2022 (§ 86d Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 157e StBerG) und einer ab diesem Zeitpunkt bestehenden Nutzungspflicht (vgl. Nds. FG, Gerichtsbescheid vom 20. März 2023 7 K 183/22) würde bereits konzeptionell die Gefahr einer strukturellen Nichteinhaltung einer derartig verstandenen aktiven Nutzungspflicht innewohnen.

Dem Bedürfnis nach einer Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten bei der Auslegung des Merkmals des Zur-Verfügung-Stehens ist nicht bereits durch das sog. Fast Lane -Verfahren Rechnung getragen. Der (künftig) Nutzungsverpflichtete hat die mit der Einrichtung und Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs einhergehenden Beschränkungen seiner Freiheit zwar zu dulden. Ihn trifft indes insbesondere ohne entsprechende gesetzliche Grundlage keine Obliegenheit, sich an dessen Einrichtung abweichend von der diesbezüglich gesetzlich geregelten Aufgabenverteilung durch einen Antrag im Fast Lane -Verfahren zu beteiligen.

Der Senat kann im Streitfall offenlassen, ob die Frist des individuellen Nutzungsverpflichteten zur unverzüglichen technischen Einrichtung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs unter Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 56 Abs. 2 FGO mit zwei Wochen zu bemessen ist, die Errichtung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach damit mit Ablauf des 31. März 2023 abgeschlossen gewesen ist und der sichere Übermittlungsweg ab diesem Zeitpunkt auch zur Verfügung gestanden hat.

 

Normenkette

StBerG § 157e; FGO § 52a Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 52d S. 2; StBerG § 86d Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 1; GG § 19 Abs. 4

 

Tatbestand

Mit ihrer durch ihre Prozessbevollmächtigte am 9. Februar 2023 per Telefax erhobenen Klage wenden sich die Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid für 2021 vom 9. Mai 2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Januar 2023.

Auf den mit der Eingangsverfügung erteilten Hinweis des Gerichts auf die Regelung des § 52d der Finanzgerichtsordnung – FGO – hat die Prozessbevollmächtigte der Kläger, die neben der Zulassung als Steuerberaterin keine weiteren Zulassungen besitzt, die sie zur Vertretung nach § 62 Abs. 2 FGO ermächtigen würden, mit – ebenfalls per Telefax übermitteltem – Schriftsatz vom 22. Februar 2023 mitgeteilt, dass sie ihre „Zugangsdaten“ am 5. Januar 2023 von der Bundessteuerberaterkammer erhalten habe. Mitte Januar 2023 habe sie einen Unfall erlitten, infolgedessen sie vier Wochen ausgefallen sei. Dem Schriftsatz waren die Kopie einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 20. Januar 2023 bis zum 17. Februar 2023 und eine handschriftliche Notiz beigefügt, der zufolge der Unfall am 12. Januar 2023 erfolgt sei, am 13. Januar 2023 Untersuchungen im Krankenhaus stattgefunden hätten, an die sich ein Krankenhausaufenthalt in dem Zeitraum vom 16. bis 18. Januar 2023 angeschlossen habe.

Auf telefonische Nachfrage der Berichterstatterin hat die Bundessteuerberaterkammer, Abteilung Presse und Kommunikation am 12. A...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge