Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkende Rechnungsberichtigung - Verfahren der Aussetzung der Vollziehung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Rechnungsberichtigung wirkt auf den Zeitpunkt der Rechnungsausstellung zurück, sofern die Abrechnung die Mindestanforderungen an eine Rechnung enthält.

 

Normenkette

RL 2006/112/EG Art. 168, 178; UStG 2005 § 15 Abs. 1 S. 2, § 14 Abs. 4; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2

 

Streitjahr(e)

2008, 2009, 2010, 2011

 

Tatbestand

Die Antragstellerin betreibt einen Großhandel mit Textilien.

Im Rahmen einer Außenprüfung, die u. a. die Streitjahre 2008 bis 2011 betraf, stellte der Antragsgegner fest, dass ein Vorsteuerabzug aus erteilten Gutschriften an die Handelsvertreter nicht möglich sei, da die Gutschriften keine ordnungsgemäßen Rechnungen i. S. d. § 15 Abs. 1 UStG i.V.m. § 14 Abs. 4 UStG darstellten. Weder in den Provisionsabrechnungen noch in den Anlagen zu den Abrechnungen waren die Steuernummer oder die USt-Identifikationsnummer des jeweiligen Gutschriftempfängers enthalten. Gleiches gilt für den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Werbegestalters H. (siehe Tz. 28 und 29 des BP-Berichts vom 24.05.2013).

Die Antragstellerin berichtigte die Provisionsabrechnungen gegenüber ihren Handelsvertretern noch während der Außenprüfung mit Datum vom 02.05.2013. Auch die Rechnungen des Werbegestalters H. wurden noch während der Außenprüfung berichtigt.

Der Antragsgegner kürzte dennoch die Vorsteuern in den Streitjahren mit der Begründung, dass die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erst im Zeitpunkt der durchgeführten Rechnungsberichtigung (2013) vorlägen:

2008 €

2009 €

2010 €

2011 €

Wert vor Prüfung

93.450,94

109.457,67

140.684,86

143.370,90

Vorsteuer Handelsvertreter

-32.111,75

-38.996,54

-50.326,40

-55.840,75

Vorsteuer H.

-1.496,54

-1.175,72

-1.180,47

-1.382,25

Wert lt. Prüfung

59.842,65

69.285,41

89.177,99

86.147,90

Gegen die aufgrund der Außenprüfung geänderten Umsatzsteuerbescheide 2008 bis 2011 vom 02.07.2013 legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte zugleich Aussetzung der Vollziehung unter Bezugnahme auf die Urteile des EuGH vom 15.07.2010 (C-368/09 – Pannon Gép, DStR 2010, 1475) und vom 08.05.2013 (C-271/12 – Petroma Transports, BB 2013, 1365).

Das Einspruchsverfahren ruht gemäß § 363 Abs. 2 AO wegen des beim BFH anhängigen Verfahrens XI R 41/10.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde abgelehnt unter Hinweis auf Abschn. 15.2 Abs. 5 UStAE. Danach kann der Vorsteuerabzug bei Rechnungsberichtigungen erst zu dem Zeitpunkt in Anspruch genommen werden, in dem die Berichtigung erfolgte und diese dem Rechnungsempfänger übermittelt wurde. Da die Berichtigung der Gutschriften erst in 2013 erfolgt sei, seien die Vorsteuern aus den berichtigten Abrechnungen auch erst in 2013 und nicht bereits in den Streitjahren zu berücksichtigen.

Die Antragstellerin beantragt daraufhin vorläufigen Rechtsschutz durch das Gericht.

Sie trägt vor, der EuGH habe bereits in der Rechtssache Pannon Gép (C-368/09) entschieden, dass in gewissen engen Grenzen eine Rechnungsberichtigung ex tunc möglich sei.

Der neuerlichen Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Petroma Transports (C-271/12) könne entnommen werden, dass der EuGH eine rückwirkende Rechnungsberichtigung zulasse, wenn die Berichtigung noch im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens erfolge. Diese Auffassung werde auch in der Literatur vertreten (Hammerl in NWB 23/2013, 1792). Der BFH habe bereits in einem vergleichbaren Fall die Aussetzung der Vollziehung angeordnet (Beschluss vom 20.07.2012, V B 82/11, BStBl II 2012, 809).

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung der geänderten Umsatzsteuerbescheide vom 02.07.2013 für die Jahre 2008 bis 2011 auszusetzen bzw. aufzuheben, soweit bereits eine Verrechnung mit Guthaben aus aktuellen Voranmeldungszeiträumen erfolgt ist.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er ist der Ansicht, dass trotz des anhängigen Verfahrens vor dem BFH (XI R 41/10) und der von der Antragstellerin genannten EuGH-Urteile keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestünden. Die Berichtigung einer Rechnung entfalte keine Rückwirkung. Ebenso hätten auch das FG Hamburg (2 V 149/11), das Niedersächsische FG (5 K 425/08) und das FG Mecklenburg-Vorpommern (2 K 180/11) entschieden.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist begründet.

Der Senat hält eine rückwirkende Rechnungsberichtigung im Streitfall für zulässig, weil die streitbefangenen Abrechnungen die Mindestanforderungen an eine Rechnung enthalten und die Berichtigung noch während der Außenprüfung erfolgte.

1. Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn ...

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