Leitsatz

Die Zulässigkeit einer Nichtigkeits-Feststellungsklage (§ 41 FGO) ist nicht davon abhängig, dass der Kläger vor der Klageerhebung ein entsprechendes Antragsverfahren nach § 125 Abs. 5 AO beim FA durchgeführt hat. Nichts anderes gilt regelmäßig auch dann, wenn der Steuerpflichtige zunächst (freiwillig) einen derartigen Antrag beim FA gestellt hat, jedoch das Ergebnis der Bescheidung vor Klageerhebung nicht abwartet.

 

Normenkette

§ 125 Abs. 5 AO, § 41 FGO

 

Sachverhalt

Das FA hatte nachEröffnung des Konkursverfahrens einen USt-Vorauszahlungsbescheid für November 1995 erlassen. Auf entsprechenden Hinweis des Konkursverwalters bat das FA den Kläger im März 1996, den Bescheid über die Festsetzung der USt-Vorauszahlung "nicht als Bescheid, sondern als Mitteilung über die Festsetzung anzusehen", und meldete die in dem Bescheid genannten Beträge zur Konkurstabelle an. Auch eine einvernehmliche Änderung in einem nach Art eines Steuerbescheids aufgebauten Schreiben, in dem jedoch die Worte "Bescheid" und "Steuerfestsetzung" gestrichen waren, war verbunden mit der Erläuterung, es handle sich nur um eine Steuerberechnung zum Zweck der Anmeldung zur Konkurstabelle.

Bevor das FA über den Antrag nach § 125 Abs. 5 AO entschieden hatte, erhob der Kläger die Nichtigkeitsfeststellungsklage. Das FG verneinte das Feststellungsinteresse (Niedersächsisches FG, Urteil vom 16.03.2006, 16 K 359/05, Haufe-Index 1644178, EFG 2007, 139).

 

Entscheidung

Die Revision hatte keinen Erfolg. Nachdem das FA stets darauf hingewiesen hatte, es handle sich nur um eine Mitteilung über die Steuerberechnung und dementsprechend die Steuerforderung lediglich zur Konkurstabelle angemeldet und auch während der folgenden neun Jahre keine Anstalten zur Vollstreckung aus dem nichtigen Bescheid gemacht hatte, war ein Feststellungsinteresse nicht erkennbar.

 

Hinweis

1. Nach § 41 Abs. 2 S. 1 FGO ist eine Feststellungsklage unzulässig, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage hätte verfolgen können. Das gilt nicht für die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts (§ 41 Abs. 2 S. 2 FGO).

2. Ein Feststellungsinteresse darf nicht deswegen verneint werden, weil der Kläger das – grundsätzlich mögliche – Antragsverfahren nach § 125 Abs. 5 AO auf Feststellung der Nichtigkeit durch das FA nicht vor Klageerhebung durchführt. Wenn der Gesetzgeber die Zulässigkeit der Nichtigkeitsfeststellungsklage von der vorherigen Durchführung eines Antragsverfahrens beim FA hätte abhängig machen wollen, hätte er dies in § 41 Abs. 2 FGO ausdrücklich regeln müssen. Stellt der Steuerpflichtige freiwillig einen solchen Antrag, kann er nicht deshalb schlechter gestellt werden, wenn er den Ausgang des Verfahrens nicht abwartet, es sei denn, die Aufhebung des nichtigen Verwaltungsakts sei vom FA bereits zugesagt worden.

3. Unabhängig von der Frage des Vorrangs eines Antragsverfahrens ist jedoch stets das "berechtigte Interesse an einer baldigen Feststellung" der Nichtigkeit des Steuerbescheids zu prüfen. Das liegt nur vor, wenn der Kläger ohne eine gerichtliche Feststellung die Gefährdung seiner Rechte besorgen muss.

Der BFH geht bisher davon aus, die Feststellung des FA über die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts sei nur eine unverbindliche, deklaratorische Wissenserklärung ohne Regelungsgehalt, die dem Kläger keinen dem Klageverfahren gleichwertigen Rechtsschutz biete (so z.B. BFH, Urteil vom 22.08.2007, II R 44/05, BFH/NV 2007, 2379). Ein Feststellungsinteresse wurde deshalb selbst dann bejaht, wenn das FA die Nichtigkeit selbst festgestellt hatte. Das ist zweifelhaft. So nimmt z.B. das Bundessozialgericht (BSG) einen die Behörde bindenden, feststellenden Verwaltungsakt an. Ob deshalb in diesen Fällen ein besonderes Feststellungsinteresse besteht, bedarf angesichts dessen noch der Klärung.

4. Von einem nichtigen Verwaltungsakt kann zwar der Rechtsschein der Wirksamkeit ausgehen und deshalb grundsätzlich die Gefahr bestehen, dass sich das FA bei unklarer Rechtslage eines nicht gegebenen Rechtsanspruchs berühmt. Auch das kann im Einzelfall anders sein.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 24.01.2008, V R 36/06

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