BMF, 01.07.1997, IV C 5 - S 1300 - 189/96

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder gilt für das internationale Verständigungs- und Schiedsverfahren in Steuersachen folgendes Merkblatt.

 

1. Allgemeines

 

1.1 Rechtsnatur und Rechtsgrundlage

Internationale Verständigungs- und Schiedsverfahren in Steuersachen sind zwischenstaatliche Verfahren zur übereinstimmenden Anwendung von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) oder des Übereinkommens Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (Schiedskonvention).

Rechtsgrundlage sind die Verständigungsklauseln der DBA bzw. die Artikel 6 ffFVG. der Schiedskonvention. Sie enthalten Bestimmungen, nach denen das Bundesministerium der Finanzen mit den zuständigen Behörden anderer Staaten unmittelbar verkehren kann, um eine Einigung über Einzelfälle herbeizuführen, die die Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland oder in einem anderen Staat betreffen. Die Schiedskonvention betrifft nur die Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen und bei Betriebsstätten. Nach den Verständigungsklauseln der DBA kann auch über allgemeine Fragen eine Einigung zwischen den zuständigen Behörden herbeigeführt werden.

Die Verständigungsklauseln der DBA und die Schiedskonvention sind durch die Zustimmungsgesetze unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden und gehen gem. § 2 AO den deutschen Steuergesetzen vor.

 

1.2 Verständigungsklauseln

Die Verständigungsklauseln der DBA sehen in der Regel vor, daß

  • ein Verständigungsverfahren eröffnet werden kann (Verständigungsverfahren im engeren Sinn), wenn eine Person darlegt, daß Maßnahmen eines Vertragsstaates oder beider Vertragsstaaten für sie zu einer dem Abkommen nicht entsprechenden Besteuerung führen oder führen werden, und dem durch Maßnahmen des betreffenden Staates nicht abgeholfen werden kann;
  • Verst ändigungsverfahren allgemein eröffnet werden können (Konsultationsverfahren), um Schwierigkeiten oder Zweifel zu beseitigen, die bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens entstehen; hierzu kann auch ein Einzelfall Anlaß oder Gegenstand bieten;
  • Verst ändigungsverfahren auch über vertraglich nicht geregelte Fragen eröffnet werden können, z.B. zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung in Fällen, die in dem betreffenden DBA nicht geregelt sind.

Die Verständigungsklausel der Schiedskonvention (Art. 6) sieht nur ein Verständigungsverfahren i.e.S. zu Fragen der Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen und bei Betriebsstätten vor. Scheitert dieses Verständigungsverfahren, wird es zwingend ins Schiedsverfahren übergeleitet (siehe Tz. 9.1).

Das Bundesministerium der Finanzen kann ein Verfahren auch dann eröffnen, wenn ein bestehendes DBA ein Verständigungsverfahren der betreffenden Art nicht vorsieht.

 

1.3 Verfahrensgegenstand und Verfahrensziel

Dieses Merkblatt befaßt sich mit dem Verständigungsverfahren im engeren Sinne (vgl. Tz. 1.2), das durch Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland oder des anderen Staates ausgelöst wird. Verfahrensgegenstand sind die aus dem DBA bzw. der Schiedskonvention abzuleitenden völkerrechtlichen Ansprüche der beiden Vertragsstaaten; diese richten sich auf eine dem DBA bzw. der Schiedskonvention entsprechende steuerliche Behandlung des Abkommensberechtigten. Ziel des Verfahrens ist, den Anspruch des Abkommensberechtigten auf abkommensgemäße Besteuerung im Rahmen der beiden Rechtsordnungen zu verwirklichen. Unabhängig davon kann der Abkommensberechtigte anregen, ein Konsultationsverfahren nach dem DBA zu eröffnen (z.B. wenn Anweisungen oder Richtlinien der ausländischen Steuerverwaltung vorliegen, die im konkreten Fall zu einer abkommenswidrigen Besteuerung führen können).

 

1.4 Zuständigkeiten

Auf deutscher Seite führt das Bundesministerium der Finanzen das Verständigungs- oder Schiedsverfahren als „zuständige Behörde” im Sinne der vertraglichen Vereinbarungen durch; es handelt hierbei im Einvernehmen mit der zuständigen obersten Landesfinanzbehörde. Aufgabe der Landesfinanzverwaltung ist es, die Verständigungsvereinbarung oder Entscheidung innerstaatlich umzusetzen (vgl. Tz. 4).

 

2. Eröffnung von Verständigungsverfahren

 

2.1 Antragstellung

2.1.1 Das Verständigungsverfahren im engeren Sinn setzt einen Antrag des Abkommensberechtigten voraus. Kommt ein Verständigungsverfahren nach einem DBA oder nach der Schiedskonvention in Betracht, ist in dem Antrag deutlich zu machen, ob er sich auf die Verständigungsklausel des DBA oder der Schiedskonvention stützt.

2.1.2 Der Antrag ist bei der zuständigen Behörde des Ansässigkeitsstaates zu stellen (in Diskriminierungsfällen bei der zuständigen Behörde des Staates, dessen Staatsangehöriger der Steuerpflichtige ist).

Sind mehrere Steuerpflichtige betroffen (z.B. eine Mutter- und eine Tochtergesellschaft), sollte der Antrag zweckmäßigerweise in der Regel im Staat des übergeordneten Steuerpflichtigen gestellt werden. Entspr...

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