Am 1.12.2016 hatte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG hinsichtlich der Mehrwertsteuersätze auf Bücher, Zeitungen und Zeitschriften vorgelegt.[1] Mit dem Vorschlag sollten gleiche Steuervorschriften für E-Books und Online-Zeitungen und die entsprechenden Druckerzeugnisse erreicht werden. Der Vorschlag war Teil der Initiative der Kommission vom 1.12.2016 zur Modernisierung der MwSt-Regeln für den elektronischen Handel, die als das sog. Digitalpaket des Rates vom 5.12.2017[2] angenommen worden ist. Die vorherigen Vorschriften gestatteten den Mitgliedstaaten, gedruckte Veröffentlichungen wie Bücher und Zeitungen zu ermäßigten Sätzen und in einigen Fällen zu stark ermäßigten Sätzen oder zum Nullsatz zu besteuern. Diese Vorschriften galten nicht für elektronische Veröffentlichungen, sodass diese zum Normalsatz besteuert werden mussten. Nach dem Richtlinienvorschlag der EU-Kommission sollten die Mitgliedstaaten die Steuersätze für elektronische Veröffentlichungen denen für Druckerzeugnisse anpassen können (aber nicht dazu verpflichtet sein). In Ziffer 6 von Anhang III sollten die Verweise auf "alle physischen Unterstützungshilfen" und auf bestimmte Formate für gedruckte Veröffentlichungen "(Broschüren, Prospekte und ähnliche Drucksachen, Bilder-, Zeichen- oder Malbücher für Kinder, Notenhefte oder Manuskripte, Landkarten und hydrografische oder sonstige Karten)" wegfallen und die Bedingung "mit Ausnahme von Publikationen, die ganz oder überwiegend aus Musik oder Videoinhalten bestehen" eingeführt werden. In Art. 99 MwStSystRL sollte ein neuer Absatz 3 angefügt werden, um den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, ermäßigte Steuersätze anzuwenden, die unter dem in diesem Artikel festgelegten Mindestmaß liegen, oder auch einen Nullsatz auf die Umsätze nach der geänderten Kategorie 6 von Anhang III MwStSystRL.

Nachdem dieser Richtlinienvorschlag im Laufe der Beratungen auf EU-Ebene zu scheitern drohte, hatte der Rat sich am 2.10.2018 doch noch politisch zu dem Kommissionsvorschlag geeinigt. Mit der schließlich am 6.11.2018 verabschiedeten RL 2018/1713[3] ist es den Mitgliedstaaten erlaubt, ermäßigte Mehrwertsteuersätze auch auf die Bereitstellung elektronischer Publikationen anzuwenden. Nach einer entsprechenden Änderung von Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 MwStSystRL und von Anhang III Nr. 6 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten auf folgende Umsätze einen ermäßigten Steuersatz anwenden: Lieferung von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften auf physischen Trägern und/oder in elektronischer Form, einschließlich des Verleihs durch Büchereien (einschließlich Broschüren, Prospekte und ähnliche Drucksachen, Bilder-, Zeichen- oder Malbücher für Kinder, Notenhefte oder Manuskripte, Landkarten und hydrografische oder sonstige Karten), mit Ausnahme von Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken dienen, und mit Ausnahme von Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen aus hörbaren Musik- oder Videoinhalten bestehen.

Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 MwStSystRL wurde dahingehend geändert, dass die ermäßigten Steuersätze nicht anwendbar sind auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen mit Ausnahme der unter Anhang III Nr. 6 MwStSystRL fallenden Dienstleistungen.

Nach dem neuen Art. 99 Abs. 3 MwStSystRL gilt: Abweichend von Art. 99 Abs. 1 und 2 MwStSystRL und neben den in Art. 98 Abs. 1 MwStSystRL genannten Steuersätzen können Mitgliedstaaten, die zum 1.1.2017 im Einklang mit dem Unionsrecht auf die Lieferung bestimmter, in Anhang III Nr. 6 MwStSystRL genannter Gegenstände ermäßigte Steuersätze anwandten, die unter dem in Art. 99 MwStSystRL festgelegten Mindestsatz liegen, oder für diese Lieferung Steuerbefreiungen mit Recht auf Vorsteuerabzug gewährten (Nullsätze), die gleiche mehrwertsteuerliche Behandlung auch dann zur Anwendung bringen, wenn "diese Lieferung auf elektronischem Wege erfolgt", wie in Anhang III Nr. 6 MwStSystRL genannt. D.h. diese Mitgliedstaaten können superermäßigte oder Nullsätze auch auf elektronische Veröffentlichungen, wie sie in Anhang III Nr. 6 MwStSystRL begünstigt sind, anwenden.

Deutschland hat mit der ab 18.12.2019 geltenden neuen Steuerermäßigungsvorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG von der unionsrechtlichen Möglichkeit, elektronische Publikationen ermäßigt zu besteuern, Gebrauch gemacht.[4]

[1] COM(2016) 758 final.
[2] S. Abschnitt 1.
[3] RL 2018/1713 v. 6.11.2018 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze für Bücher, Zeitungen und Zeitschriften, ABl. EU 2018 Nr. L 286/20.
[4] Vgl. hierzu das Einführungsschreiben des BMF, Schreiben v. 17.12.2021, BStBl I 2021 S. 2502.

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