Seit der BilMoG-Reform argumentiert die Finanzverwaltung dass der Handelsbilanzwert für die Bewertung einer Rückstellung in der Steuerbilanz dann maßgeblich ist, wenn die steuerliche Rückstellungsbewertung zu einem höheren Wert führt.

Durch die EStÄR 2012 ist die Auffassung der Finanzverwaltung zur Bewertung von Rückstellungen wie folgt in die Einkommensteuerrichtlinien aufgenommen worden:

Zitat

Niedrigerer handelsrechtlicher Wert

(3) Mit Ausnahme der Pensionsrückstellungen darf die Höhe der Rückstellung in der Steuerbilanz den zulässigen Ansatz in der Handelsbilanz nicht überschreiten.

Für den Gewinn, der sich aus der erstmaligen Anwendung des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG v. 15.5.2009 I, BGBl. 2009 S. 1102) durch die Auflösung von Rückstellungen ergibt, die bereits in dem vor dem 1.1.2010 endenden Wirtschaftsjahr passiviert wurden, kann jeweils in Höhe von vierzehn Fünfzehntel eine gewinnmindernde Rücklage passiviert werden, die in den folgenden vierzehn Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens einem Fünfzehntel gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum). Besteht eine Verpflichtung, für die eine Rücklage passiviert wurde, bereits vor Ablauf des maßgebenden Auflösungszeitraums nicht mehr, ist die insoweit verbleibende Rücklage zum Ende des Wirtschaftsjahres des Wegfalls der Verpflichtung in vollem Umfang gewinnerhöhend aufzulösen; Entsprechendes gilt, wenn sich der Verpflichtungsumfang innerhalb des Auflösungszeitraums verringert.[1]

Damit vertritt die Finanzverwaltung die Meinung, dass der handelsrechtlich anzusetzende, abgezinste und damit niedrigere Wert – über das Maßgeblichkeitsprinzip – für die Steuerbilanz die Wertobergrenze bildet. Insbesondere sachleistungsverpflichtende Rückstellungen, wie z. B. Rekultivierungs-, Rückbau-, Entsorgungs- und Sanierungsverpflichtungen aber auch Aufbewahrungskosten, können davon betroffen sein.

Begründet wird dies von der Finanzverwaltung über

  • den Wortlaut des Einleitungssatzes zu Nr. 3a des § 6 Absatz 1 EStG: "Rückstellungen sind höchstens insbesondere unter Berücksichtigung folgender Grundsätze anzusetzen:…"

und

  • nach den Erläuterungen in der Gesetzesbegründung,[2] ist der handelsrechtliche Rückstellungsbetrag für die steuerrechtliche Bewertung der Rückstellung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG auch dann maßgeblich, wenn der Ausweis der Rückstellung in der Handelsbilanz niedriger als der sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ergebende Wert ist.

Nunmehr hat der BFH endgültig diese Rechtsauffassung bestätigt.[3]

 
Praxis-Beispiel

Verpflichtung zur Rekultivierung von Abbaugrundstücken

Der Unternehmensgegenstand der A-GmbH ist der Abbau und die Verwertung von Rohstoffen, insbesondere von Lava. Für Verpflichtungen zur Rekultivierung von Abbaugrundstücken bildete die A-GmbH in der Handels- und Steuerbilanz folgende Ansammlungs-Rückstellung:

 
HB zum 31.12.2010
mit Kostensteigerung und Abzinsungssatz von 4,94 % 295.870 EUR
StB zum 31.12.2010
ohne Kostensteigerung und ohne Abzinsung 330.685 EUR

Im Rahmen einer für die Jahre 2007 bis 2010 durchgeführten Außenprüfung kürzte der Prüfer die Rückstellung in der Steuerbilanz um 34.815 EUR[4] auf den niedrigeren Handelsbilanzwert in Höhe von 295.870 EUR, weil ansonsten steuerlich ein höherer Rückstellungsbetrag als in der Handelsbilanz ausgewiesen werde.[5]

Ergebnis im Urteilsfall:

Der Handelsbilanzwert für eine Rückstellung bildet auch nach Inkrafttreten des BilMoG gegenüber einem höheren steuerrechtlichen Rückstellungswert die Obergrenze.[6]

Entscheidungsrelevante Gründe:

  • Gesetzliche Formulierung „…höchstens insbesondere…“, stellt nicht nur auf Zeiträume vor Inkrafttreten des BilMoG ab, sondern bringt zum Ausdruck, dass es auch seitdem keine Durchbrechung der Maßgeblichkeit gibt.
  • Darüber hinaus steht der Wortsinn des „insbesondere“ dafür, dass es weitere Obergrenzen gibt.
  • Historisch, systematisch und zweckgerichtet ist und bleibt ein niedriger handelsbilanzieller Wert der Höchstansatz für die Steuerbilanz.
  • Auch der Wegfall der formellen Maßgeblichkeit durch die BilMoG-Reform führt nicht dazu, dass die steuerbilanziellen Werte nicht von der Handelsbilanz abhängig sind.
  • Der Steuerpflichtige ist nicht nur an die abstrakten Normen des EStG über die Gewinnermittlung, sondern grundsätzlich auch an den im Einzelfall gewählten handelsrechtlichen Bilanzansatz gebunden.

Wäre es vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen, wegen der handelsrechtlichen Änderungen (= durch BilMoG) auch in steuerrechtlicher Hinsicht insoweit eine Änderung herbeizuführen, hätte er die Worte „höchstens insbesondere“ in § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG gestrichen bzw. modifiziert. Genau dies hat der Gesetzgeber aber nicht getan!

[2] BT-Drs. 14/443 S. 23.
[3] BFH, Urteil v. 20.11.2019, XI R 46/17, BStBl 2020 II S. 195.
[4] Für den sich aus der erstmaligen Anwendung des BilMoG in 2010 hieraus ergebenden Gewinn iHv 34.815 EUR, resultierend aus dem Nicht-Ansatz des höheren StB/PB-Werts gegenüber dem bisherigen HB-Ansatz, bildete er sodann eine Rückl...

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