Rn. 115

Stand: EL 48 – ET: 08/2001

Hierzu vorab Hinweis auf das Schreiben des BMF vom 30.06.1994, BStBl I 94, 439, betreffend Verlängerung der Frist für die Inanspruchnahme der degressiven AfA nach § 7 Abs 5 Nr 1 Satz 2 EStG um ein Jahr sowie die Kommentierung im Fachschrifttum, nämlich Gierlich, DB 1994, 1257; Kaefer, BB 1994, 1331; Förster, DStR 1994, 1297, mit einer informativen Tabelle über sämtliche Grenzgängerregelungen einschl DBA auf Seite 1302.

In Art 1 sieht das Grenzpendlergesetz als Kernregelung die Einführung einer der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht weitgehend angenäherten Sonderform der beschränkten Steuerpflicht vor. Damit soll der persönlichen und familiären Situation der Grenzpendler bei der Steuerfestsetzung in verstärktem Maße Rechnung getragen werden. Das Gesetz ist vor dem Hintergrund der jüngsten europäischen Rechtsentwicklung, insbesondere der Rechtsprechung des EUGH zu sehen. In einer Reihe von Grundsatzurteilen hat der EUGH den deutschen Regelungen über die beschränkte Steuerpflicht vergleichbare Bestimmungen in anderen EU-Staaten gegenübergestellt und einen Verstoß gegen das EG-rechtliche Diskriminierungsverbot festgestellt.

Im wesentlichen hat die Regelung folgenden Inhalt: Erzielt ein beschränkt Steuerpflichtiger – fast – seine gesamten Jahreseinkünfte im Inland (ausländische Einkünfte bis zu 10 % der Gesamteinkünfte und bis zu DM 12 000 sind unschädlich), erhält er die Möglichkeit, auf Antrag im Rahmen einer Einzelveranlagung gem § 50 Abs 5 EStG und durch Herabsetzung der Vorauszahlungen, bei Arbeitnehmern durch Eintragung von Freibeträgen in die Bescheinigung nach § 39d EStG, personen- und familienbezogene einkommensmindernde Abzüge weitgehend wie ein unbeschränkt Steuerpflichtiger geltend zu machen, dessen Ehepartner, Kinder und sonstige Angehörige im Ausland leben: § 50 Abs 4 EStG.

Dies bedeutet insbesondere die Möglichkeit des Abzugs von Unterhaltsaufwendungen für den Ehegatten gem § 33a Abs 1 EStG, für Kinder nach § 32 Abs 6 EStG und der außergewöhnlichen Belastung gem §§ 33, 33a, 33b, 33c EStG. Ggf einbehaltene Steuerabzüge vom Lohn, Kapitalertrag oder gem § 50a Abs 4 EStG werden auf die Einkommensteuer angerechnet, soweit der Bundesrepublik Deutschland für diese Einkünfte das ausschließliche Besteuerungsrecht zusteht. Es sind nicht nur "Pendler" begünstigt, sondern alle Personen, die – unabhängig von Herkunftsland und Einkunftsstaat – als beschränkt Stpfl in der BRD Einkünfte beziehen und die maßgebenden Grenzwerte einhalten, zB auch ein im Ausland ansässiger Pensionär, der seine Altersversorgung nahezu ausschl aus der Vermietung in Deutschland gelegener Immobilien bezieht. Für Arbeitnehmer, die unter die Grenzgängerregelung der DBA mit Belgien, Frankreich und Österreich fallen, ändert sich die Rechtslage durch das Grenzpendlergesetz nicht, weil das Besteuerungsrecht für die Arbeitseinkünfte dem Wohnsitzstaat zusteht. Für Grenzgänger aus der Schweiz ist das Grenzpendlergesetz ebenfalls nicht anwendbar, weil ihre Einkünfte nicht zu den Einkünften gehören, die im Sinn des § 50 Abs 4 der deutschen ESt unterliegen (§ 50 Abs 4 Satz 4 EStG). Für Grenzgänger aus den Niederlanden gilt eine Sonderregelung, vgl BGBl I 94, 1398, die ua sogar das Splitting für nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten vorsieht.

Auf Antrag sind die Vorschriften bereits auf den lfd Arbeitslohn der in 1994 endenden Lohnzahlungszeiträume und auf die in 1994 zufließenden sonstigen Bezüge anzuwenden. Bei der ESt-Veranlagung sind die Vorschriften auch für Veranlagungszeiträume vor 1994 anzuwenden, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind oder eine bestandskräftige Entscheidung über eine vor dem 13.10.1993 gestellten Antrag auf Billigkeitsmaßnahmen noch nicht vorliegt (§ 52 Abs 30a EStG).

Personen, deren Ehegatten im Ausland leben und die deshalb beschränkt steuerpflichtig sind, wird durch das Grenzpendlergesetz auch in Zukunft nicht der Splitting-Tarif zugestanden und bei wesentlichen Auslandseinkünften der Lohnsteuerjahresausgleich verweigert. Das Gesetz ist jedoch nicht mit EG-Recht vereinbar, wie sich aus dem Urteil des EuGH-Urteil vom 14.02.1995, DB 95, 407 (vgl auch Kommentierung von Kaefer/Sass, DB 95, 642, s auch Vorlage des FG Köln an das BVerfG vom 20.10.94, DB 95, 659) ergibt. Da das Grenzpendlergesetz rückwirkend anwendbar ist, wurde es antragsgemäß zum Gegenstand des Verfahrens gemacht und ging in das Urteil ein. Das Grenzpendlergesetz muß grundlegend reformiert werden: unzulässig sind insbesondere die Ver­weigerung des Splittingtarifs in 90 %-Fällen und die Verweigerung des Lohnsteuerjahresausgleichs bei wesentlichen Auslandseinkünften. Eine erneute Reform der beschränkten Steuerpflicht ist somit zu erwarten und man kann nur hoffen, daß diese Neuregelung umfassend und übersichtlich gelingen wird, wobei zugleich zu bedenken ist, inwieweit auch in Drittländern Ansässige mit Bürgern der EU gleichgestellt werden sollen.

Durch Ergänzung von § 32b Abs 1 EStG werden zukünftig auch beschrän...

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