Rn. 176

Stand: EL 170 – ET: 01/2024

Bei rein wörtlicher Auslegung des § 6a Abs 3 S 2 Nr 1 S 4 EStG könnte das Stichtagsprinzip umgangen werden. So wäre es nach dem Wortlaut von S 4 zulässig, anstelle von lohn- oder gehaltsabhängigen Pensionszusagen Festbetragszusagen zu gewähren, die so hoch angesetzt sind, dass sie bei Zusageerteilung zusammen mit der Anwartschaft auf gesetzliche Altersrente mehr als 75 % des Bruttogehaltes ausmachen. Der StPfl geht dabei davon aus, dass die hohen Festbeträge wegen der bis zur Pensionierung erwarteten Lohnsteigerungen relativ so stark an Wert verlieren, dass sie dann zusammen mit der gesetzlichen Rente eine Gesamtversorgung ergeben, die unterhalb der 75 %-Grenze liegt. Das Versorgungsniveau würde durch spätere Lohnsteigerungen in den Bereich des Angemessenen gleiten, Überversorgung hätte sich im Zeitablauf wegen der Lohnerhöhungen abgebaut oder gemildert. Der StPfl hätte jedoch bereits im Zusagezeitpunkt Pensionsrückstellungen für ein Versorgungsniveau gebildet, das zu jenem Zeitpunkt übersetzt ist.

Der BFH billigt die in derartigen Gestaltungen – auch "Nürnberger Verfahren" genannt – vorweggenommenen künftigen Entwicklungen nur insoweit, als dies am jeweiligen Bilanzstichtag einem angemessenen Verhältnis der Rente zu den letzten Aktivbezügen entspricht. Bei überhöhten Festzusagen sollen die Rückstellungen gemäß § 6a EStG so ermittelt werden, als wenn Versorgungsbezüge in Höhe eines angemessenen Prozentsatzes der jeweiligen letzten Aktivbezüge zugesagt worden wären. Als Übermaßversorgung bezeichnet der BFH eine Festzusage, die zusammen mit der Anwartschaft aus der gesetzlichen Rentenversicherung 75 % des am Bilanzstichtag bezogenen Gehalts übersteigt (BFH vom 13.11.1975, BStBl II 1976, 143; BFH vom 17.05.1995, BStBl II 1996, 420). Bei einem Durchschnittsverdienst eines verheirateten ArbN betrug seit langem das Nettoeinkommen zwischen 72 % bis 74 % des Bruttoeinkommens.

Ob aber die 75 %-Grenze zurzeit noch zu vertretbar ist, muss bezweifelt werden, da die gesetzlichen Renten nicht mehr wie ursprünglich nur mit ihrem Ertragsanteil, sondern in Abhängigkeit vom Kj des Rentenbeginns sukzessive stärker besteuert werden und da daher der Nettoanteil der gesetzlichen Renten zunehmend sinkt ("Kohortenbesteuerung", § 22 Nr 1 S 3 Buchst a Doppelbuchst aa EStG; Höfer/Veit/Verhuven, BetrAVG Bd II Kap 2 Rz 407 (Januar 2023)). Wegen des sukzessiven Absinkens des Nettobetrags der gesetzlichen Renten wäre das korrespondierende Anheben der 75 %-Grenze geboten.

 

Rn. 177

Stand: EL 170 – ET: 01/2024

Die vom BFH entwickelte 75 %-Grenze kann nur bei generell gewährten Festbetragszusagen einen Umgehungstatbestand indizieren, Sie darf auf keinen Fall mechanisch auf sämtliche Versorgungsplangestaltungen angewandt werden (vgl Bode/Grabner, DB 1996, 544; Förster/Heger, DStR 1996, 408; Höfer, BB 1996, 41). So wäre es ua unangebracht,

  • die 75 %-Grenze auch bei endgehaltsabhängigen Versorgungsbezügen heranzuziehen. Da bei ihnen nur die am Bilanzstichtag feststehenden Gehälter beachtet werden und kein Lohntrend vorweggenommen wird, wird auch § 6a Abs 3 S 2 Nr 1 S 4 EStG nicht umgangen. Wenn zB eine Betriebsrente von 20 % des Stichtagsgehaltes zugesagt wurde und die gesetzliche Rente 60 % des Gehaltes ausmacht, so beträgt die Gesamtanwartschaft aus gesetzlicher Rente und Betriebsrente 80 % des Stichtagsgehaltes. Dennoch muss für die Betriebsrente von 20 % die volle Pensionsrückstellung gebildet werden, da sie gemessen an der Gesamtversorgung im Gegensatz zu einer Festbetragsrente nie ihr 20 %iges Gewicht verliert.
  • die 75 %-Grenze bei einer Altersversorgung anzuwenden, die aus Entgeltumwandlung des ArbN finanziert wird (aA BFH vom 16.05.1995, BStBl II 1995, 873; BMF vom 07.01.1998, BetrAV 1998, 59). Denn die Entgeltumwandlung stellt keinen Umgehungstatbestand dar, da kein erwarteter Lohntrend vorweggenommen werden soll. Die FinVerw geht in ihrem Schreiben vom 03.11.2004 (BMF BStBl I 2004, 1045) zu Recht davon aus, dass Versorgungsleistungen, die der ArbN aus Entgeltumwandlung iSd § 1 Abs 2 Nr 3 BetriebsrentenG finanziert, nicht der Überversorgungsprüfung unterliegen. Auch darf die 75 %-Grenze nicht an dem auf das durch Entgeltumwandlung reduzierten Gehalt gemessen werden. Vielmehr muss sich die 75 %-Grenze an dem nicht durch Entgeltumwandlung gesenkten "Schattengehalt" ausrichten.
  • bei Festbetragszusagen, die bei der Mehrzahl der ArbN die 75 %-Grenze unterschreiten, die Rückstellung insoweit nicht anzuerkennen, als in Einzelfällen ausnahmsweise die Grenze überschritten wird.
 

Rn. 178

Stand: EL 170 – ET: 01/2024

Eine garantierte Anwartschaftsdynamik, die neben einer dienstzeit- und gehaltsabhängigen Rentenbemessung gewährt wird, kann so lange nicht steuerschädlich sein, wie die 75 %-Grenze respektiert wird. Der BFH hat zu Recht entschieden (BFH vom 25.10.1995, BStBl II 1996, 403), dass fest zugesagte prozentuale Erhöhungen von Renten und Rentenanwartschaften insoweit anzuerkennen sind.

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