Rn. 711

Stand: EL 150 – ET: 04/2021

Zu weiteren Wertungswidersprüchen des vorstehend dargestellten Regelungszusammenhangs zwischen dem Beschluss BFH BStBl II 1998, 307 (Einlagebeschluss) einerseits und der Gesetzesneufassung ab 1999 andererseits kommt es bei Vergleich des Forderungsverzichtes (auf eine wertlose Forderung) des Gesellschafters mit anderen Gestaltungen zur Erreichung des gleichen Zieles, nämlich der bilanzmäßigen Sanierung der Tochter-KapGes. Solche anderen Gestaltungstechniken sind (Hoffmann, Forderungsverzicht als Gestaltungspotential, GmbH-StB 2001, 241; Heinz Neu, Anm EFG 2001, 588; Norbert Neu, GmbH-StB 1998, 136; Dieterlen, Ernst & Young, vGA/vE Fach 5c Rz 7; Gosch, StBp 2002, 115, 117; Düll/Fuhrmann/Eberhard, DStR 2002, 1030):

  • Der Gesellschafter veranlasst eine Bank, sich für die Gesellschafterforderung zu verbürgen: Die Forderung wird wieder werthaltig.
  • Der Gesellschafter spricht (zB auf Wunsch einer der Gesellschaft Kredit gewährenden Bank) eine harte Patronatserklärung zugunsten der Gesellschaft aus: Die Forderung wird wieder werthaltig.
  • Der Gesellschafter verpflichtet sich der Gesellschaft gegenüber zur Verlustübernahme mit der Möglichkeit einer späteren Aufrechnung der Gesellschaft mit diesem Anspruch gegen die Darlehensverbindlichkeit.
  • Der Gesellschafter übernimmt mit befreiender Wirkung Bankschulden der Tochtergesellschaft (vgl BFH v 20.12.2001, I B 74/01, GmbHR 2002, 221 mit Anm Hoffmann), wodurch diese Liquiditätsspielräume zur Tilgung der Verbindlichkeiten gegenüber der Muttergesellschaft erlangt.
 

Rn. 712

Stand: EL 150 – ET: 04/2021

Diese Gestaltungsmöglichkeiten erschließen sich aus dem genannten Entscheidungsfundament des GrS BFH BStBl II 1998, 307, welcher die "Gestaltungshoheit" für die Besteuerungsebene der Gesellschaft dem Gesellschafter zuweist (s Rn 707). Danach hat es der Gesellschafter in der Hand, die ihm zweckmäßig erscheinende Gestaltung zur Erreichung des Sanierungszieles zu wählen. Beim Verzicht auf die wertlose Forderung entsteht bei der Gesellschaft Gewinn, bei einem werthaltigen Barzuschuss (s Rn 719) nicht (dann Einlage). Je nach Sachverhalt und Gestaltungsziel kann dieses Faktum insb bei der Ein-PersGes mit wirtschaftlichem Gleichklang der Interessen von Gesellschaft und Gesellschafter zur Steueroptimierung herangezogen werden (s Rn 721ff).

Ein besonderes Gestaltungspotential bietet der Forderungsverzicht ("debt for equity swap") mit Besserungsabrede bzw Besserungsschein: Der bei der Gesellschaft infolge des Verzichtes auf die wertlose Forderung entstehende Gewinn schmerzt wegen des Verlustvortrages nicht (zu sehr, aber Mindestbesteuerung beachten); bei späterem Eintritt der Besserungsbedingung lebt die Verbindlichkeit der Gesellschaft in Form einer steuerlich abzugsfähigen BA wieder auf – vergleichbar dem Verlustabzug durch Vortrag nach § 10d EStG. Die Vernichtung des Verlustvortrages nach § 8 Abs 4 KStG 1999 bzw § 8c KStG durch Anteilsübertragung einer "Verlustmantel"-GmbH kann in Form des BA-Abzugs durch Wiedereinbuchung der Verbindlichkeit im wirtschaftlichen Ergebnis gerettet werden (so bestätigt durch das Urt BFH v 12.07.2012, I R 23/11, DStR 2012, 2058 mit Anm Hoffmann gegen BMF v 02.12.2003, BStBl I 2003, 648 unter 2.d.; vgl hierzu auch s §§ 4,5 Rn 1070 (Hoffmann)). Die diesbezügliche Steuerplanung bedarf dabei einer mehrjährigen Betrachtung (Bsp unter s Rn 587 sowie Hoffmann, DStR 1998, 196).

 

Rn. 713

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In die Gestaltungsvarianten der steueroptimalen Bilanzsanierung ist im Lauf der Zeit das Genussrecht einbezogen worden, das sich relativ einfach als handelsbilanzielles EK darstellen lässt (s §§ 4,5 Rn 1109 (Hoffmann)). Dann liegt der Gedanke nahe, die handelsbilanzielle EK-Generierung nicht durch Forderungsverzicht, sondern durch Umwandlung der Forderung (richtig Verbindlichkeit) in ein entsprechendes Genussrecht vorzunehmen mit der Bilanzierungsfolge (in der HB): Per FK an EK. Steuerbilanziell soll der FK-Charakter unverändert bleiben, der unerwünschte steuerliche Gewinn durch Forderungsverzicht entstünde dann nicht, gleichwohl wird in der HB EK generiert (vgl Lechner/Haisch, Ubg 2012, 117; Breuninger/Ernst, GmbHR 2012, 495). Diese Gestaltung wird auch als Debt-Mezzanine-Swap bezeichnet.

 

Rn. 714

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Die FinVerw kann sich mit diesem Modell nicht anfreunden. Sie sieht in der handelsbilanziellen Umwandlung von FK in EK eine nach Maßgeblichkeitsgesichtspunkten auch steuerlich wirksame Gewinnerhöhung (wie beim Forderungsverzicht). Das Gestaltungsmodell wäre dann ohne Vorteil zum Forderungsverzicht (Hoffmann, StuB 2012, 417; OFD Rheinland, DStR 2012, 189).

 

Rn. 715

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Zu der ab 2008 geänderten Rechtslage s Rn 728ff. Die Gestaltungstechniken iS Rn 711 bleiben uE durch die Gesetzesänderung unberührt.

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