Rn. 28

Stand: EL 172 – ET: 04/2024

Anders als jeder sonst am Wirtschaftsleben Beteiligte verfügt der Fiskus über besondere gesetzliche Regelungen zur Sicherstellung eines zeitnahen Steueraufkommens. Der Entrichtungspflichtige, der Schuldner der KapErtr, die den Verkaufsauftrag ausführende Stelle oder die auszahlende Stelle werden dadurch zur gesetzmäßigen Erfüllung ihrer primären Pflichten zum Einbehalten und Abführen der KapSt angehalten, dass an die Nichterfüllung dieser Pflicht eine Haftung für die KapSt anknüpft.

 

Rn. 29

Stand: EL 172 – ET: 04/2024

Das FA muss kein Verschulden nachweisen, es braucht lediglich darauf zu verweisen, dass die KapSt nicht einbehalten und abgeführt wurde. Es besteht also eine Verschuldensvermutung, allerdings mit der Möglichkeit der Exkulpation (Schmid/Mühlhäuser, DStR 2017, 2778; Jehke/Blank, DStR 2017, 905 [909]). Der zum KapSt-Abzug Verpflichtete kann die Haftung durch den Nachweis vermeiden, dass er seine Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. Hierzu kann es in Einzelfällen genügen, dass fundierter fachmännischer Rat eingeholt wurde. Voraussetzung ist allerdings, dass dieser fachmännische Rat zu einem völlig eindeutigen Ergebnis gelangt, also beispielsweise auf höchstrichterliche Rspr verweisen kann. Ein Verweis auf noch so "namhafte Autoren" dürfte sich nicht als ausreichend erweisen, wenn andere "namhafte Autoren" deren Auffassung kritisch gegenüberstehen (Jehke/Blank, DStR 2017, 905 [909]). Im Zweifel sollte deshalb der Abzugsverpflichtete die KapSt abführen; s auch BFH vom 03.11.2010, I R 98/09, BStBl II 2011, 417 unter 3.a.

 

Rn. 30

Stand: EL 172 – ET: 04/2024

Unkenntnis steuerlicher Vorschriften kann mE nicht dazu führen, von der Annahme grober Fahrlässigkeit abzusehen. Der Schuldner ist zwar nicht gesetzlich verpflichtet, sich fachlichen Rat zu holen, aber angesichts des Komplexitätsgrades der Materie dürfte ein bewusster Verzicht auf fachkundige Unterstützung tatsächlich grob fahrlässig sein. Abgesehen davon würde die Berufung einer Bank oder Kapitalanlagegesellschaft auf Unkenntnis der Materie nicht sonderlich glaubwürdig wirken.

 

Rn. 31

Stand: EL 172 – ET: 04/2024

Bei Verletzung der Pflicht zur Abführung einbehaltener KapSt dürfte dagegen die Inanspruchnahme des Entrichtungspflichtigen die Regel sein. Bei der Aufarbeitung der Cum/Ex-Fälle sind dabei auch die inländischen Depotbanken in das Blickfeld der FinVerw geraten, wohl nicht zuletzt auch, weil sie im Zweifel solvent genug sind. In Betracht kommt eine Haftung nach § 44 Abs 5 S 1 EStG, wenn die Kompensationszahlungen den Tatbestand des § 20 Abs 1 Nr 1 S 4 EStG erfüllen und die inländische Depotbank eine "den Verkaufsauftrag ausführende Stelle" ist, welche die Verschuldensvermutung (s Rn 29) nicht widerlegen kann (Jehke/Blank, DStR 2017, 905 [907]).

Ist also bei dem Cum/Ex-Geschäft für die Kompensationszahlung keine KapSt einbehalten und abgeführt worden, so hängt die Haftung der inländischen Depotbank an der Frage, ob sie eine ausführende Stelle des Verkaufsauftrages ist. Zu beurteilen ist damit, welchen Beitrag die Depotbank in der Abwicklung des fraglichen Geschäfts geleistet hat. Die Ausführung eines Verkaufsauftrages beinhaltet nicht nur die Umsetzung des Eigentumsübergangs, sondern auch die dazugehörigen schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfte, so dass das gesamte Vertragskonstrukt zu beurteilen ist (so auch Habammer, DStR 2017, 1958 [1960]). Ob man so weit gehen kann, dass jede irgendwie geartete Beteiligung an der Abwicklung des Geschäftes ausreicht (so jedenfalls Jehke/Blank, DStR 2017, 905 [909]) erscheint nicht zweifelsfrei, stehen doch noch andere Beteiligte in der Haftung, sollte die Rücknahme der Anrechnungsverfügung gegenüber dem Steuerschuldner nicht zum gewünschten Ergebnis führen.

Auch für den Fall der Cum/Cum-Geschäfte (s BMF BStBl I 2017, 986) von Investmentfonds sieht die FinVerw die Depotbanken in der Haftung, weil die Depotbanken regelmäßig eine eigene Buchführung für die Fonds erstellten und regelmäßig Kenntnisse von Vertragsabschlüssen hätten, so dass sie die Cum/Cum-Gestaltungen erkennen müssten (BMF BStBl I 2017, 986 Rz 31).

 

Rn. 32

Stand: EL 172 – ET: 04/2024

Neu stellt sich die Sachlage dar in den Fällen eines Dissens zwischen dem Gläubiger der KapErtr, dem abzugsverpflichteten Institut und der FinVerw. Die Banken haben sich darauf berufen, dass sie in erster Linie die Interessen ihrer Kunden zu vertreten haben und deren Beurteilung der Rechtslage iRd vertraglichen Beziehungen zu folgen sei. Zudem konnten sich die Finanzinstitute auf die Einzelfallentscheidung des BFH vom 12.12.2012, I R 27/12, BStBl II 2013, 682 stützen. Die vereinfachte Form der Steuererhebung durch das Abzugsverfahren wäre durch diese Vorverlegung der Bearbeitung von Rechtsfragen des Veranlagungsverfahrens erschwert worden.

Zur Rolle der Banken im Abzugsverfahren s § 45a Rn 8 (Hasselmann).

Hoffmann, DStR 2016, 1848 führt zutreffend aus, dass sich aus den Grundsätzen der Inpflichtnahme der Kreditinstitut...

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