1. Personelle Zurechnung von Forderungen

a) Forderungen als Zurechnungsobjekt

 

Rn. 187

Stand: EL 142 – ET: 04/2020

Eine Forderung ist ein Zahlungs- oder sonstiger Leistungsanspruch eines Gläubigers gegen einen Schuldner aus einem Schuldverhältnis, § 241 BGB. Das Schuldverhältnis setzt nach § 241 Abs 1 BGB mit dem "Schuldner" und dem "Gläubiger" (mindestens) zwei Personen voraus, von denen Letzterer berechtigt ist, von Ersterem insb eine Zahlung zu "fordern". Forderungen sind abstrakt und konkret bilanzierungsfähige, nicht abnutzbare WG und als solche Zurechnungsobjekt iSd § 246 Abs 1 S 2 HGB, § 39 AO. Entsprechend der Bilanzgliederungssystematik des § 266 HGB ist insoweit eine Differenzierung zwischen

(1) grds unverzinslichen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und
(2) verzinslichen Kapitalforderungen aus (Fremd-)Finanzierungsverhältnissen (Forderungen aus Ausleihungen/Forderungswertpapieren) angezeigt.

Während Forderungen aus Lieferungen/Leistungen den Anspruch auf Gegenleistung aus einem gegenseitige Vertrag (zB Kaufvertrag, Mietvertrag, Werkvertrag) verkörpern, wird durch Überlassung von (Fremd-)Kapital gem § 488 Abs 1 BGB zunächst ein Anspruch auf Rückzahlung begründet, darüber hinaus mit der Verzinsung ein Gegenleistungsanspruch (dh wiederum eine Forderung iSv (1)).

Forderungen sind grds dem zivilrechtlichen Eigentümer – konkret dem zivilrechtlichen Gläubiger iSd § 241 BGB/Darlehensgeber iSd § 488 BGB – zuzurechnen. Eine vom Zivilrecht abweichende Zurechnung der Forderung ist geboten, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Gläubiger wirtschaftlicher Eigentümer, dh "wirtschaftlicher Inhaber" der Forderung ist, weil er den zivilrechtlich Berechtigten von der Einwirkung auf die Forderung für deren (Rest-)Laufzeit wirtschaftlich ausschließen kann (zB BFH v 03.11.1976, VIII R 170/74, BStBl II 1977, 206; BFH v 26.08.2010, I R 17/09, BFH/NV 2011, 143; BFH v 20.01.1999, I R 69/97, BStBl II 1999, 514 zum Treugeber als wirtschaftlichem Inhaber eine Kapitalforderung). Die Frage der personellen Zurechnung stellt sich für Forderungen beider Fallgruppen. Problematisiert wird die Zurechnungsfrage bislang insb für die Übertragung (kurz- bis mittelfristiger) idR unverzinslicher Forderungen iRd Factoring, der Forfaitierung sowie Asset-Backed-Securities-Gestaltungen. Für verzinsliche, insb längerfristigere Kapitalforderungen (Fallgruppe 2), die ihrerseits Erwerbsgrundlage sind, hat die Feststellung der "wirtschaftlichen Inhaberschaft" einer Forderung wesentliche Implikationen für die Einkünftezurechnung. Die Rspr stellt auch insoweit regelmäßig auf den wirtschaftlichen Inhaber der Forderung ab, ohne indessen zu spezifizieren, unter welchen Voraussetzungen eine abweichend von der zivilrechtlichen Verortung gegebene wirtschaftliche Inhaberschaft an verzinslichen Forderungen gegeben ist.

b) Zurechnungsrelevante Herrschaftsbefugnisse/Prüfformel

 

Rn. 187a

Stand: EL 142 – ET: 04/2020

Primäre Herrschaftsbefugnis auf Geld gerichteter unverzinslicher wie verzinslicher Forderungen ist die Befugnis, den auf den Nennwert bezogenen Zahlungsanspruch für sich geltend machen zu können. Voraussetzung der Entstehung des Anspruchs bei Forderungen aus Lieferungen und Leistung ist die Erbringung der geschuldeten Leistung. Bei Kapitalüberlassungsverhältnissen geht der Befugnis, vom Schuldner Rückzahlung zu verlangen, die Verpflichtung zur Hingabe des Kapitals voraus. Über die wirtschaftliche Substanz einer Forderung kann außer durch Einziehung auch durch Veräußerung oder Verpfändung verfügt werden. Bei verzinslichen Forderungen tritt das Zinsbezugsrecht als wesentliche Herrschaftsbefugnis hinzu.

Mit Begrenzung der Forderungshöhe auf den Nennbetrag ist die wirtschaftliche Substanz von Forderungen limitiert. Wesentliche Substanzmehrungen über den Nennbetrag hinaus sind ggf bei längerfristigen verzinslichen Forderungen infolge Absinkens des Zinsniveaus, bei Währungsforderungen oder bereits wertgeminderten Forderungen möglich. Für Forderungen dagegen wesensbestimmend ist die grds fehlende Limitierung möglicher Substanzminderungen. Dem WG Forderung ist ein – abhängig von der Bonität des Schuldners – in unterschiedlicher Ausprägung vorhandenes Ausfallrisiko immanent. Das Risiko wirtschaftlicher Verwertbarkeit beschränkt den Wert der Befugnis, die Forderung auf eigene Rechnung einzuziehen oder die Forderung zu übertragen oder zu verpfänden. Dies zeigt sich insb in der (annähernden) Wertlosigkeit der Forderung bei Insolvenz des Schuldners. Das Ausfallsrisiko überlagert und dominiert die Verfügungsbefugnisse. Mit dem Risiko wirtschaftlicher Verwertbarkeit ist als negative Ausprägung der Herrschaftsbefugnisse für Forderungen im Ergebnis eine (Herrschafts-)Last wirtschaftsgutprägend. Das Zinsbezugsrecht unterliegt dieser Prägung gleichermaßen. Mit Forderungen sind Lasten darüber hinaus insb im Hinblick auf das Forderungsmanagement einschließlich Mahnwesen verbunden.

Die Rspr richtet die Prüfung der Zurechnung von Forderungen grds ebenfalls an der Verteilung von Besitz, Nutzen, Gefahr und Lasten aus (zB BFH v 26.01.2011, VIII R 14/10, BFH/NV 2011, 1512 zur Prüfung wirtschaftlichen Eigen...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge