Rn. 534a

Stand: EL 109 – ET: 04/2015

Die vorstehenden Ausführungen (ab s Rn 532 – 534) beziehen sich auf die Ermittlung von Sachverhalten durch den Kaufmann und die damit häufig verbundenen Ermessensentscheidungen und Schätzungserfordernisse. Ein anderer Anwendungsbereich der objektiven versus subjektive Fehlerhaftigkeit bezieht sich auf die rechtliche Interpretation von Sachverhalten, man kann auch von Subsumtion eines Tatbestandes unter eine abstrakte Rechtsnorm sprechen.

 

Beispiel:

Bsp nach BFH BStBl II 1992, 600; s Rn 874. Ein Flusswasserkraftwerk muss regelmäßig Uferschlamm beseitigen; die Kosten für den nächsten "Reinigungsvorgang" sind nicht rückstellungsfähig, § 249 Abs 1 S 1 HGB iVm § 5 Abs 1 S 1 EStG ist nicht anzuwenden.

Für diesen Sachverhalt ist die Rechtslage geklärt, für tausend andere nicht.

 

Beispiel

Die Möglichkeit der Teilgewinnrealisierung bei langfristiger Auftragsfertigung nach der sog Percentage-of-Completion-Methode ist höchstrichterlich ungeklärt. Der BFH v 05.05.1986, I R 121/74, BStBl II 1976, 54 hat lediglich "erhebliche Bedenken" geäußert.

Und zu der reinen Rechtsauslegung lautet die Aussage im Beschluss des BFH v 31.01.2013, GrS 1/10, BStBl II 2013, 317: Die Deutungshoheit liegt ausschließlich beim BFH. Vertretbare anderslautende Meinungen müssen unbeachtlich bleiben, so auch diejenigen, welche die Teilgewinnrealisierung in diesen Fällen für zulässig erachten. Maßgeblich ist der Rechtsspruch des BFH, vielleicht erst zehn Jahre nach dem betreffenden Bilanzstichtag – und "nur" beschränkt durch verfahrensrechtlichen Bestandsschutz. Auf eine "subjektive Richtigkeit" kann sich der Bilanzierer bei der Rechtsauslegung nicht berufen (anders als bei der Beurteilung von Sachverhalten, s Rn 531a, 532). Der "Rückwirkungseffekt" soll nach Auffassung des GrS aaO auch bei einer am Stichtag (noch) bestehenden Rechtsauffassung des BFH gelten, die später aufgegeben wird; Letztere ist dann maßgebend, ein Vertrauensschutz auf die frühere Meinung des BFH wird den Bilanzierern nicht eingeräumt.

 

Rn. 534b

Stand: EL 109 – ET: 04/2015

Diese jetzt vom GrS bestätigte Rechtsauslegung ist nicht neu, vgl zB das Urt BFH v 12.11.1992, IV R 59/91, BStBl II 1993, 392. Später hatte der I. BFH-Senat (auch) für Rechtsfragen den subjektiven Fehlerbegriff (Maßgeblichkeit der subjektiven Richtigkeit) ins Spiel gebracht (BFH v 05.06.2007, I R 47/06, BStBl II 2007, 818 sowie BFH v 17.07.2008, I R 85/07, BStBl II 2008, 924). Davon ist der I. Senat selbst im Vorlagebeschluss an den GrS des BFH v 07.04.2010, I R 77/08, BStBl II 2010, 739 wieder abgerückt; er hätte ohne Anrufung des GrS den Fall entscheiden können. Jedenfalls ist jetzt die vor Ergehen der beiden zitierten Urt des I. Senats die bis dahin gültige BFH-Rspr wieder hergestellt; es gilt die "objektiv richtige Rechtslage".

Deshalb wird sich auch in der Bilanzierungspraxis durch den BFH-Beschluss GrS 1/10 wenig oder gar nichts ändern. Wenn zu einem bestimmten Sachverhalt eine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, wird diese in aller Regel vom StPfl und vom FA beachtet (zB Anerkennung einer Rückstellung für die Aufbewahrungskosten von Geschäftsunterlagen, BFH v 19.08.2002, VIII R 30/01, BStBl II 2003, 131). Anders kann das Steuerfestsetzungsverfahren laufen, wenn der Bilanzierer für die langfristige Auftragsfertigung die Teilgewinnrealisierung zur Vermeidung des Verlustes eines Verlustvortrages wählt (s Rn 534a). Hier kann es im Rahmen einer Außenprüfung zu einer Kontroverse kommen, soweit nicht der eine der beiden "Streitpartner" einlenkt. Letzteres ist meistens der Fall, nur ausnahmsweise wird ein Rechtsmittel geführt, das dann möglicherweise einige Jahre später die Rechtslage klärt. Dann muss sich die unterliegende Partei dem Rechtsspruch des BFH beugen. Es zeigt sich am Beispiel des Bp-Procederes: Der Beschluss GrS 1/10 ändert an der Bilanzierungspraxis im Besteuerungsverfahren nichts.

Die FinVerw hatte sich vor Ergehen des Beschlusses GrS 1/10 aaO verschiedentlich zu Berichtigungen von Bilanzen aufgrund von BFH-Urteilen geäußert, was unter s Rn 535f dargestellt ist. Diese Stellungsnahmen der FinVerw sind im Hinblick auf die Entscheidung des GrS zu überprüfen. Die nachstehende Kommentierung unterliegt diesem Vorbehalt. Dem Grunde nach f die FinVerw dem Beschluss der GrS (OFI) Nds v 29.07.2014, DStR 2014, 2294).

 

Rn. 534c

Stand: EL 109 – ET: 04/2015

Der GrS 1/10 (BFH BStBl II 2013, 317 Tz 78) hat seine Entscheidung zum subjektiven Fehlerbegriff nicht auf "unzutreffende Tatsachen" (Prognosen oder Schätzungen) ausgeweitet. In der Interpretation des Beschlusses durch Weber-Grellet, DStR 2013, 729 wird allerdings die Aussage des GrS auf Tatsachenfragen "grundsätzlich(?)" übertragen. Das FA habe den Sachverhalt zutreffend zu ermitteln und diesen der Veranlagung zugrundezulegen. Insoweit bestehe kein Unterschied zur Beurteilung von Rechtsfragen (wie es der GrS entschieden hat). Dazu folgendes Bsp:

 

Beispiel:

Die G-GmbH hat am 31.12.01 eine überfällige Forderung gegen den S von 1 0...

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