Rn. 170d

Stand: EL 142 – ET: 04/2020

An unbeweglichen WG ist – trotz der zentralen Stellung des Besitzkriteriums – auch besitzloses wirtschaftliches Eigentum denkbar (vgl BFH v 29.10.1986, II R 229/81, BFH/NV 1988, 20; BFH v 20.11.2003, III R 4/02, BStBl II 2004, 305). Eine zurechnungsrelevante Substitution des zentralen Herrschaftsmerkmals "Besitz in Erwartung des Eigentumserwerbs" setzt voraus, dass der zivilrechtliche Eigentümer als (unmittelbarer) Besitzer bzgl des betreffenden WG allein den Weisungen des anderen zu folgen verpflichtet ist und dieser auf Basis einer gesichterten Rechtsposition jederzeit die Herausgabe (Eigentumsübertragung) verlangen kann. Abreden im Innenverhältnis müssen sicherstellen, dass der zivilrechtliche Eigentümer auf Dauer von der Einwirkung auf das WG ausgeschlossen ist, während der andere für eigene Rechnung zur Verfügung über die Substanz und Ertrag befugt ist. Ist Besitz als Ausdruck tatsächlicher Sachherrschaft nicht gegeben, kann die tatsächliche Sachherrschaft gleichermaßen ihren Ausdruck finden in dem mit der Weisungsbefugnis eines Dritten gekoppelten jederzeitigen Anspruch auf Herausgabe der Sache. Unter diesen Voraussetzungen ist ein Nichteigentümer auch ohne Besitz in die Lage versetzt, wie ein Eigentümer die wirtschaftliche Herrschaftsmacht über das WG auszuüben, so dass sich die zivilrechtliche Eigentümerstellung in der Weise als entleert darstellt, dass ihr nicht die gewöhnlich mit ihr verbundene Herrschaftsmacht zukommt (BFH v 29.10.1986, II R 229/81, BFH/NV 1988, 20).

Im Vorstadium des Eigentumserwerbs sind für die Begründung besitzlosen wirtschaftlichen Eigentums notarieller Kaufvertragsschluss und Auflassungsvormerkung allein nicht ausreichend (BFH v 15.07.2003, X B 49/03, nv; BFH v 15.03.2005, X R 2/02, BFH/NV 2005, 1292; BFH v 23.03.2007, IX B 114/06, BFH/NV 2007, 1272; FG Münster v 17.02.2005, 3 K 60/02 Ew, EW, EFG 2005, 834; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 39 AO Rz 86 (Februar 2018)). Der Eigentümer unterliegt zwar durch die Auflassungsvormerkung faktisch einer Verfügungsbeschränkung; diese allein verschafft jedoch dem Vormerkungsberechtigten nicht das wirtschaftliche Eigentum. Die Auflassungsvormerkung gewährt dem Erwerber lediglich die Sicherheit des künftigen Eigentumserwerbs ohne vorrangige Belastungen. Desgleichen verliert der zivilrechtliche Eigentümer durch Ausübung eines Vorkaufsrechts (und Vormerkung der Eigentumsübertragung im Grundbuch zur Sicherung des Anspruchs Grundstücksübereignung nach § 28 BauGB) nicht bereits das wirtschaftliche Eigentum (aA FG Köln v 20.09.2017, 4 K 801/14, EFG 2018, 6, Rev BFH II R 44/17). Ein wirtschaftlicher Eigentumswechsel wird in diesen Fällen insb auch nicht rückwirkendend durch die nachfolgende Erlangung der zivilrechtlichen Eigentümerstellung bewirkt. Die für die Zurechnung nach § 39 Abs 2 Nr 1 AO entscheidende tatsächliche Sachherrschaft über ein WG ist ein tatsächlicher Zustand und als solcher eines Rückbezugs nicht zugänglich (BFH v 18.09.1984, VIII R 119/81, BStBl II 1985, 55; BFH v 26.03.1991, VIII R 315/84, BStBl II 1992, 472; BFH v 23.06.1991, VIII R 55/86, BStBl II 1992, 479).

Bei bloßer Option auf den Erwerb von Grundbesitz ohne bereits erfolgte Inbesitznahme durch den Stillhalter bzw ohne eine mit einer umfassenden Weisungsbefugnis des Stillhalters gekoppelten jederzeitigen Ausübbarkeit der Option, dh die jederzeitige Möglichkeit, Herausgabe zu verlangen, scheidet die Annahme wirtschaftlichen Eigentums beim Stillhalter grds aus (aA BFH v 23.01.1992, IV R 95/90, BStBl II 1992, 553: (verfrühte) Annahme wirtschaftlichen Eigentumsübergangs bereits infolge eines bindenden Verkaufsangebots unter zinsloser Darlehensgewährung iH des späteren Kaufpreises mit entsprechender dinglicher Sicherung des Käufers und Eintragung einer Auflassungsvormerkung zur Sicherung dessen Anspruchs auf Eigentumsübergang; zum Stellenwert darlehensweise erfolgender Überlassung eines aufschiebend bedingten Kaufpreises s Rn 170k).

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