Rn. 2222

Stand: EL 168 – ET: 10/2023

Nach § 158 AO sind die Buchführung und die Aufzeichnungen des StPfl der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalles kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Rein formelle Buchführungsmängel rechtfertigen daher eine Schätzung nicht (BFH BFH/NV 2000, 1462; BStBl II 1982, 430; BFH vom 09.01.2008, X B 144/07, ZSteu 2008, R 645). Eine formell ordnungsgemäße Buchführung hat die Vermutung der Richtigkeit für sich. Anlass, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden, kann zB sein,

  • wenn Kasseneinnahmen und -ausgaben nicht täglich festgehalten werden,
  • Kasseneinlagen und -entnahmen nicht zeitgerecht und nur in geschätzten Beträgen verbucht werden,
  • wenn der Wareneingang nicht vollständig erfasst ist (BFH BStBl II 1986, 226; BFH/NV 2005, 667 mwN).

An den Nachweis, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß ist, sind strenge Anforderungen zu stellen (BFH BFH/NV 1986, 719). Trotz einer formell ordnungsgemäßen Buchführung kann jedoch die Schätzungsbefugnis dann bejaht werden, wenn aufgrund einer Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung ein ungeklärter Vermögenszuwachs festgestellt wird (BFH BFH/NV 1988, 12; 2002, 476).

Neben einer Vermögenszuwachsrechnung (BFH BFH/NV 1988, 12; BStBl II 1986, 732; 1984, 504) kann auch eine Nachkalkulation (BFH BStBl II 1983, 618; 1982, 430; 1975, 96; 1970, 838) oder das Abweichen von Richtsätzen (BFH BStBl II 1975, 217) zu einer Schätzungsbefugnis führen. Weiterhin können auch Kontrollmitteilungen das Buchführungsergebnis erschüttern.

Auch Verprobungen sonstiger Art können das Buchführungsergebnis in Frage stellen. Jedoch ist allgemein zu beachten, dass eine nur unwesentlich von dem Buchführungsergebnis abweichende Verprobung idR nicht eine Schätzungsbefugnis begründet (BFH BStBl II 1983, 618). Es ist aber der Einzelfall entscheidend. Ist eine Verprobung im Einzelfall genau angelegt (zB Aufgliederung nach Warengruppen, Bemessung der Aufschlagsätze, Eingehen auf Besonderheiten des Betriebes, veränderte Preissituationen), so kann auch im Einzelfall eine geringe Abweichung zur Schätzungsbefugnis führen (BFH BStBl II 1983, 618).

Als eine weitere Methode, um eine Schätzungsbefugnis zu begründen, ist seit einigen Jahren der Chi-Quadrat-Test in der steuerlichen Literatur und Rspr in der Diskussion. Dieser Test dient der Feststellung, ob eine Ziffer überproportional häufig verwendet wird, was bei einer entsprechend gehäuften Datenmenge auf eine Manipulation des Zahlenwerkes hindeutet.

 

Beispiel:

Ein StPfl manipuliert ständig die Kasseneinnahmen, indem er nicht die tatsächlichen Einnahmen, sondern frei erfundene Einnahmen ansetzt. Er verwendet dabei unbewusst bestimmte Lieblingszahlen bzw Ziffern.

Die Chi-Quadrat-Methode erlaubt die Feststellung, dass bestimmte Ziffern nach ihrer statistischen Wahrscheinlichkeit häufiger auftauchen als sie zu erwarten sind. Dies deutet auf eine Manipulation hin.

Diese Methode reicht jedoch alleine nicht aus, um eine formell ordnungsgemäße Buchführung zu widerlegen (FG Münster EFG 2004, 9; 2004, 236; 2006, 652 zur Manipulation von Fahrtenbüchern; FG Ha vom 24.06.2005, I 153/04; Seer in Tipke/Kruse, § 162 AO Rz 60a; Drüen, PStR 2004, 18; Trossen, EFG 2004, 12; vgl auch Gebbers, StBp 2008, 209). Sie kann nur als Anhaltspunkt neben den anderen Erkenntnismitteln (zB Geldverkehrsrechnung) zu einer Verwerfung der Buchführung führen.

Ob ein Zeitreihenvergleich die Befugnis zur Schätzung begründet, ist strittig. Unter einem Zeitreihenvergleich versteht man die Erfassung, Auswertung und den Vergleich von innerbetrieblichen Daten bestimmter Zeitperioden, die im Zusammenhang mit dem Wareneinsatz stehen. Dabei werden den sich aus den Wareneinkäufen ergebenden Wareneinsätzen die erklärten Umsätze eines Zeitraums (meist eine Woche) gegenübergestellt, so dass jeweils ein bestimmter Rohgewinnaufschlagsatz errechnet werden kann. Dem Zeitreihenvergleich liegt der Gedanke zu Grunde, dass neue Ware erst dann eingekauft wird, wenn die alte verbraucht ist und keine nennenswerte Lagerhaltung betrieben wird. Große Schwankungen der so errechneten Rohgewinnaufschlagsätze sollen auf Unregelmäßigkeiten in der Buchführung hinweisen (vgl Pfützenreuter, EFG 2007, 816).

Das FG Köln hat in einem Urteil aus dem Jahr 2009 entschieden, dass die Anwendung einer solchen Methode allein nicht dazu führt, dass das FA eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vornehmen kann (FG Köln EFG 2009, 1092). Wie das FG Köln zu Recht im Streitfall an einem bestimmten Zeitraum deutlich macht, erlaubt der Zeitreihenvergleich dann keine realistischen Wertermittlungen, wenn der Wareneinsatz nicht zeitnah nach dem Einkauf erfolgt (vgl zum Einsatz als Schätzungsmethode neben BFH BStBl II 2015, 743; BFH/NV 2016, 4; 2017, 1204 zB FG Münster vom 17.02.1999, 10 K 3407/98 E, G, U, F; FG Münster vom 20.10.1999, 10 K 3902/98 E, G, U; FG Münster vom 19.01.2000, 10 K 3901/98 E, G, U; FG Münster EFG 2004, 236 mit Anm Kerssenbrock, ZSteu 2008, 185; FG Ha EFG 2...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge