Rn. 189g

Stand: EL 142 – ET: 04/2020

Die das zivilrechtliche Eigentum verdrängende steuerrechtliche Zurechnung eines beweglichen WG zu einem Nichteigentümer setzt den Übergang der Substanz des WG auf den Nichteigentümer voraus (BFH v 28.05.2015, IV R 3/13, BFH/NV 2015, 1577 zu kundenspezifischen Werkzeugen; BFH v 22.09.2016, IV R 1/14, BStBl II 2017, 171 zu Windkraftanlagen). Ob von einem Substanzübergang und damit von einem Zurechnungswechsel auszugehen ist, hängt von den Spezifika des konkret übertragenen WG sowie der konkreten Transaktionsart ab.

Für bewegliche WG ist der Verschaffung des (Eigen-)Besitzes (einschließlich Besitzmittlungsverhältnissen) als Ausdruck tatsächlicher Sachherrschaft über das bewegliche WG herausgehobene Bedeutung beizumessen. Durch den Besitz und die regelmäßig damit verbundene Nutzung(smöglichkeit/Fruchtziehungsrecht) wird die positive Substanz eines beweglichen WG verkörpert.

Bei Nutzungsrechtsverhältnissen über abnutzbare bewegliche WG liegt ein wirtschaftlicher Substanzübergang auf den besitz- und nutzungsberechtigen Nichteigentümer bei Vollverschleiß, dh (nutzungsbedingt) nahezu vollständigem Wertverzehr des WG beim Nichteigentümer vor. Demgemäß sieht der Leasingerlass bei Vollamortisationsverträgen ohne Mietverlängerungs- oder Kaufoption über Mobilien eine Zurechnung zum Leasingnehmer (als Nichteigentümer) ua dann vor, wenn die unkündbare (Grund-)Mietzeit mehr als 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes umfasst (BMF v 19.04.1971, BStBl I 1971, 264), da in diesen Fällen zutreffend eine annähernde Deckung von Mietzeit und Nutzungsdauer und in der Folge ein wirtschaftlich wertloser Rückübertragungsanspruch des Leasinggebers, dh Vollverschleiß beim Leasingnehmer angenommen wird (Spittler, Leasing für die Praxis, 1999, 131; Ostermann/Hellen in HdR-E, Kap 6 Rz 129; zum Leasing s Rn 1000 (Hoffmann)).

Bei Kaufverträgen über bewegliche WG gehen mit Übergabe des WG, dh Besitzverschaffung, Nutzen und Lasten sowie die Gefahr des zufälligen, von keiner der Vertragsparteien zu vertretenden Untergangs oder einer zufälligen Verschlechterung auf den Erwerber über (§ 446 Abs 1 BGB, Preisgefahr), dh die Übergabe führt zu einer personellen Änderung aller für bewegliche WG zurechnungsrelevanten Positiv-/Negativelemente (wenn nichts Abweichendes vereinbart oder gesetzlich angeordnet wird, wie zB im Fall des Versendungskaufs, § 447 BGB). In Fällen, in denen der Gefahrenübergang dem Besitzwechsel vorgelagert ist, dh die Preisgefahr ist bereits übergegangen, der Erwerber ist aber noch nicht im Besitz des WG (wie im Fall des Versendungskaufs, § 447 BGB: Gefahrenübergang mit Übergabe an Spediteur), bejaht die Rspr den Zurechnungswechsel beweglicher WG (trotz Gefahrenübergang) nicht vor einem Besitzwechsel (BFH v 03.08.1988, I R 157/84, BStBl II 1989, 21: gekaufte Waren gehören wirtschaftlich zum Vermögen des Kaufmanns, sobald er die Verfügungsmacht in Gestalt des unmittelbaren oder mittelbaren Besitzes an ihnen erlangt hat).

Bei Werk(lieferungs)verträgen, deren Gegenstand die Herstellung beweglicher körperlicher Werke ist (zB Industrieanlagenbau), verneint die Rspr einen Zurechnungswechsel des Werks vor Übergang des zivilrechtlichen Eigentums trotz Besitzverschaffung und Nutzung durch den Nichteigentümer, wenn der Gefahrenübergang auf den Nichteigentümer noch nicht stattgefunden hat (BFH v 28.11.2006, III R 17/05, BFH/NV 2007, 975; zu Windkraftanlagen BFH v 01.02.2012, I R 57/10, BStBl II 2012, 407; BFH v 06.02.2014, IV R 41/10, BFH/NV 2014, 847; BFH v 22.09.2016, IV R 1/14, BStBl II 2017, 171). Bei Werkverträgen schuldet der Unternehmer nicht nur die Werkleistung, sondern auch und gerade den Werkerfolg. Der Werkunternehmer ist nach Konzeption des Werkvertragsrechts grds zur Vorleistung verpflichtet (§ 641 Abs 1 BGB; BGH v 07.03.2013, VII ZR 162/12, NJW 2013, 1431), er trägt gem § 644 Abs 1 S 1 BGB die Preisgefahr (Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung) bis zur Abnahme des Werkes. Für die Bestimmung des Zeitpunkts, wann die Gefahr auf den Erwerber übergeht, kommt es auf die vertraglichen Vereinbarungen an; nur soweit vertragliche Vereinbarungen fehlen, ist auf die (abdingbaren) zivilrechtlichen Regelungen über die Gefahrtragung abzustellen (BFH v 22.09.2016, IV R 1/14, BStBl II 2017, 171). Der Gefahrtragung verkörpert bei beweglichen WG, die auf der Grundlage von Werk(lieferungs)verträgen in das Vermögen des StPfl gelangen, die wesentliche negative Substanz des Werks. Demgemäß verlangt die Rspr für den Substanzübergang und damit für den Zurechnungswechsel auf einen Nichteigentümer (zusätzlich zur Besitzverschaffung und Nutzung(smöglichkeit)) den Gefahrenübergang.

Ist im Rahmen eines Werkvertrags eine technische Anlage zu übereignen (Bsp Windkraftanlage), die vom Erwerber vereinbarungsgemäß erst nach erfolgreichem Abschluss eines Probebetriebs abgenommen werden soll, wechselt die Zurechnung infolge wirtschaftlichen Eigentumsübergangs erst mit der n...

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